Sex and Crime auf Königsthronen
Kuckuckskind vom Knecht oder von einem feindlichen Monarchen als Nachfolger leisten.
1931 hat jedoch der britische Medizin-Historiker Eric John Dingwall die in einigen Museen zum Beweis ausgestellten Modelle geprüft. Ergebnis: Die Beweisobjekte sind Nachbauten und Fälschungen von anno 1900. Die Amerikanerin Elizabeth Abbott hat 1999 ergänzende Studien betrieben: Die ausgestellten, oft gezähnten Folterwerkzeuge hätten Körperhygiene, Toilettengang und die immerhin mögliche Geburt eines Erben nach Abreise des Gatten unmöglich und zum Todesurteil gemacht. Bei einigen (seltenen) mittelalterlichen Beschreibungen von Keuschheitsgürteln handelt es sich wahrscheinlich um Folterwerkzeug. Rare Beispiele von »echten« Keuschheitsgürteln stammen aus dem Italien des 15. Jahrhunderts. Die hübschen Florentiner Gürtel sind jedoch mit goldenen Einlegearbeiten und Juwelen verziert, gern aus Silber, und sie erinnern an metallgefertigte »Stringtangas«. Kulturhistoriker haben sie längst in die Abteilung Sexspielzeug umsortiert. Wo sie noch heute bei Fetischisten heiß begehrt sind.
Pfui, hätte man im keuschen 19. Jahrhundert gesagt, jener Epoche, in der es tatsächlich Konstruktionen gibt, die man braven Bürgerskindern anlegt, um sie von Sünden wie Selbstberührung oder -befleckung zu kurieren.
Masturbation und Orgasmus gelten schließlich dank einigen frisch aufgeklärten Medizinern des frühen 18. Jahrhunderts als Auslöser für Schwachsinn.
Immerhin, die Monarchen des 19. Jahrhunderts müssen sich in Acht nehmen. Das Bürgertum ist wachsam, hat die wirtschaftliche Vormacht längst errungen und sich vielerorts parlamentarisches Mitspracherecht erkämpft.
Erst recht in Großbritannien, wo schon Könige des Mittelalters sich mit lästigen Parlamentspolitkern herumschlagen mussten. Die entfernen einen ihrer Könige sogar schon 1649 per Henkersbeil vom Thron. Charles I. aus dem Haus Stuart (1600–1649) muss wegen Missbrauchs seiner Amtsgewalt und ein wenig Lotterleben aufs Schafott. Nach ihm richtet Oliver Cromwell vorübergehend eine Art puritanisch-parlamentarische Militärdiktatur ein. Der strengst protestantische General, dem man gar die Krone anbietet, die er aber dankend ablehnt, verbietet ganz England so ziemlich alle üblichen Vergnügungen wie Kartenspiel, Pferdewetten, das öffentliche Absingen von Trinkliedern, Theater- und Bordellbesuche. Außerdem hinterlässt er in Irland und Schottland eine breite Blutspur im Kampf gegen Royalisten. Cromwell stirbt 1658 an Malaria, sein Sohn versucht sich kurz als Nachfolger, dann holen sich Parlament und Volk lieber wieder einen König ins Land.
Charles II. (1630–1685), Sohn des elf Jahre zuvor hingerichteten ersten König Charles, kehrt in den Whitehall Palace zurück. Und holt höchstselbst alles nach, was seine Untertanen jahrelang vermisst haben. Mit fünfzehn offiziellen Mätressen, darunter die stadtbekannte Schauspielerin und Dirne Nell Gwynn, zeugt der Stuartspross vierzehn Kinder, die er allesamt anerkennt. Aus inoffiziellen Liebschaften sollen Dutzende weiterer illegitimer Sprösslinge hervorgegangen sein. Zeitgenossen tippen auf 350 fruchtbare Seitensprünge, was jedoch übertrieben sein dürfte. Man führt die amouröse Umtriebigkeit des Barockkönigs auf seine Exil- und Lehrjahre am Hof des französischen Sonnenkönigs zurück. Der das royale Lust- und Lotterleben von Charles II. finanziell fördert, um ihn von militärischen Ambitionen abzuhalten.
Wirklich übel nimmt das englische Volk seinem reimportierten König seine Casanova-Allüren anscheinend nicht. Sie verleihen ihm gar den liebevollen Beinamen merry monarch (fröhlicher König). Eine weitere spannende royale Figur.
Doch an dieser Stelle zählt allein, dass die Briten lange vor den Franzosen mit Revolution und Fallbeil experimentiert haben, jedoch mit der Alternative Cromwell nicht wirklich zufrieden waren.
Vielleicht gelingt im Vereinigten Königreich Great Britain genau darum trotz aufgeputschter Stimmung und aufgebrachter Bürger zu Zeiten von Frankreichs Großer Revolution die eindrucksvollste Kampagne zur Arterhaltung von Europas Monarchen. Mit höchst moralischen Mitteln, dank Parlament und typisch britisch.
Das englische Parlament über seinen König George III.
Rex noster est insanit.
D as britische Königshaus, das uns heute als Musterbeispiel unverwüstlicher royaler Größe erscheint, erlebt zunächst, genau wie der Rest Europas um 1800, besonders düstere Momente mit nicht
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