Sex and Crime auf Königsthronen
Staatsaffäre ausgeweitet werden muss. Eine Affäre, die Christian VII. genug Angst einjagt, dass er Struensee selbst vernichtet. Wozu ja eine einzige kleine Unterschrift genügt.
Einem König, der zu Anfällen von Verfolgungswahn und zu Kämpfen mit unsichtbaren Dämonen neigt, Angst einzujagen ist keine Hexerei. Es fehlt nur eine schöne Verschwörungstheorie. Kreative Höflinge, darunter Exfreunde Struensees, die er bei seiner Kabinettsumbildung übergangen hat, und konservative Minister setzen sich in seltener Eintracht an den Schreibtisch, um einen angeblich geplanten Staatsstreich durch Struensee zu erfinden. Endlich gibt es wieder was zu tun! Und bestechend einfache Verschwörungstheorien werden immer gern genommen.
Neben Sex mit der Queen wird dem Leibarzt angedichtet, er wolle Christian VII. stürzen, ihn zusammen mit dessen Halbbruder und mit Stiefmutter Juliane beseitigen. Perfektes Motiv: Struensee will Mathilde heiraten und den Thron selbst besteigen. Fertig.
Konservative Hofminister können der Königinwitwe Juliane Marie schließlich Kopien von Geheimplänen für all diese finsteren Machenschaften vorlegen, die angeblich aus Struensees Tresor stammen. Es sind Fälschungen, von denen Juliane sich aber flugs und gern überzeugen lässt.
Parallel werden Sonderermittler nach Hamburg entsandt, um Kaufdatum und Käufer eines Strumpfbandes zu recherchieren, das der Leibarzt Mathilde verehrt haben soll. Der Verkauf eines Juwelenbuketts mit 1091 Diamanten durch die Königin wird ebenfalls überprüft. Struensee hat Mathilde dabei beraten. Der Erlös ist allerdings nicht in seine Taschen geflossen, sondern in den Kauf eines Ordens für die Königsgemahlin. Mathilde will sich von reinen Schmuckaccessoires emanzipieren und sich lieber eine königliche Glitzerplakette an die Brust heften, um ihre Bedeutung bei Hof herauszustreichen. Kurz: Die Hamburger Indizien sind etwas mager.
Man beginnt Struensees und Mathildes Diener auszuhorchen, notiert mit spitzer Feder mutmaßliche Treffen, ergänzt den Seitensprungkalender mit der langen Liste der öffentlichen Zärtlichkeitsbekundungen. Die Beweislage für eine Liaison des Leibarztes mit der Königin – die bis heute weder zweifelsfrei beweisbar noch widerlegbar ist – scheint schließlich ausreichend zu sein.
Als die öffentliche Stimmung gegen Struensee kippt, schlagen die Feinde des Leibarztes zu. Königs Liebling Struensee, sein deutscher Freund und Mitstreiter Brandt und Königin Mathilde werden am 17. Januar 1772 im Bett verhaftet.
Am Komplott aktiv beteiligt ist des Königs Stiefmama Juliane Marie. Sie macht dem verwirrten, eingeschüchterten Christian VII. noch in der Nacht der Verhaftung die Hölle heiß. Am Ende unterschreibt der König die Hochverratsanklage gegen Struensee und gegen Brandt. Gegen Mathilde wird in unmittelbarer Folge das Scheidungsverfahren eingeleitet.
Allen dreien wird in den getrennten Prozessen derselbe Verteidiger an die Seite gestellt, der sich im Fall Struensee und Brandt stark zurückhält, im Scheidungsfall Mathilde jedoch vehement alle Ehebruchsvorwürfe bestreitet. Schließlich ist ihr Bruder George III. König von England und könnte etwas gegen die rufschädigende Sexanklage haben.
Genutzt hat der Advokat keinem der drei.
Struensee und Brandt werden zum Tode nach mittelalterlicher Manier verurteilt. Zunächst wird jedem die rechte Schwurhand abgehackt, danach werden sie geköpft und gevierteilt. Ihre Leichenteile werden aufs Rad geflochten. Die Hinrichtung kann allerdings nur mit einiger Verzögerung stattfinden. Zunächst findet sich kein Tischler bereit, das Schafott zu zimmern, und kein Wagner will das Rad liefern, auf das die sterblichen Überreste der Monarchiereformer am Ende geflochten werden. Erst die Androhung von Kerker und Folter kann einige Handwerker von ihrer Untertanenpflicht überzeugen.
Die kompromittierte und geschiedene Mathilde wird nach bewährter Manier am Ende nach Deutschland verbannt, wo sie im Schloss zu Celle im Miniaturstil Hof halten darf, aber – so erzählen es viele Quellen – sie kommt nicht über den Verlust ihrer beiden Kinder hinweg, die in Dänemark bleiben müssen. Die Schilderung ihrer letzten Lebensjahre gibt es in sehr anrührenden und in nüchterneren Varianten, die an dieser Stelle nicht diskutiert werden sollen. Klar ist, dass ihr Leben wenig zu tun hatte mit märchenhaftem Glück. Dänemarks Exkönigin stirbt – noch nicht einmal 24 Jahre alt – im Mai 1775
Weitere Kostenlose Bücher