Sex and Crime auf Königsthronen
immer lichten Königen und mit moralisch beispielhaft verlotterten Prinzen.
Englands King George III. (1738–1820), Herrscher aus dem deutschen Adelshaus von Hannover, ist in jungen Jahren in England recht beliebt. Der Importkönig wird wegen seiner Volksnähe und seines echten Interesses an Ackerbau und Viehzucht »Farmer George« getauft.
Er ist der dritte Briten-Monarch aus deutschen Landen, aber der erste, der auf britischem Boden zur Welt kommt und Englisch als Muttersprache erlernt.
Aus Georges Kindertagen und aus seinen Tagen als Prince of Wales gibt es keine psychopathischen Ausrutscher oder Sexualdelikte im Stil des oben behandelten Dänenprinzen Christian zu vermelden. George wächst als Enkel des regierenden Königs George II. mit seinen Geschwistern und den Eltern fern vom eigentlichen Palastgeschehen auf. Der königliche Großpapa hat wenig Umgang mit seinem Enkel, er kann nämlich seinen Sohn, also Klein Georges Papa, nicht leiden. Dem Enkel kommt das zugute, denn der Familienkrach führt unter anderem dazu, dass er nach eher bürgerlichen Erziehungsidealen pädagogisch betreut wird: Viel frische Landluft, das Umgraben von Gartenbeeten und regelmäßige Schulstunden gehören zu seiner Prinzenausbildung. Mit anderen Worten: Der Adelsspross der Dynastie Hannover gibt zu weit größerer Hoffnung Anlass als der unberechenbare Prinz Christian von Dänemark, der später sein Schwager wird.
Doch leider ereilen den deutsch-englischen Georg III. nach seiner Thronbesteigung im Jahr 1760 mit 27 Jahren selber leichte Wahnschübe. Sie fallen mit dem Abschied der amerikanischen Kolonien vom britischen Mutterland und damit von Englands König als Staatsoberhaupt zusammen. Ganz unschuldig am Unabhängigkeitskrieg ist George III. nicht, und der Politstress dürfte die Wahnattacken begünstigt haben.
In King Georges Gehirn beginnt es jedenfalls zu spuken: Er sieht eine vernichtende Flut über London hereinbrechen, vor der er mit seiner Familie aufs Schlossdach flieht, er plappert zwanghaft und ohne Unterlass. Einer Hofdame seiner Königin nähert er sich auf dem Palastflur unsittlich und unzureichend bekleidet. Was keinesfalls in König Georges Art liegt.
Seine protestantische Ehe mit Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz wird von einigen Biografen zwar als eher freudlos, aber als monogam geschildert. Insgesamt fünfzehn Kinder gehen aus der Verbindung hervor, die Papa George bis auf seinen Stammhalter auch recht gern hat.
Die Idee, dass allein Sophies eher herber Charme den Wahnsinn des sexuell unterversorgten George ausgelöst hat, wird von einigen katholischen Vertretern der historischen Forschung gern vertreten. Rein sexuelle Thesen wie diese sind aber wieder mal nicht zielführend. Georges unschöne Übergriffe verdanken sich nicht einem »falschen«, weil protestantisch verklemmten, Glaubensideal.
Nach einer zeitweiligen Besserung der ersten Wahnsymptome suchen den König ab 1788 verstärkt Halluzinationen heim, die dem Parlament ernsthafte Sorgen bereiten. Der König versucht gar, sich umzubringen. Man weiß sich zu helfen und versteckt den gequälten Monarchen zeitweise im Palast. Doch die Lage bleibt ernst.
Während Napoleon sich anschickt, halb Europa zu überrennen, konferiert George III. mit Bäumen über die weltpolitische Lage, begrüßt eine Eiche als den preußischen König und pflanzt auf seiner königlichen Musterfarm Steaks, damit das Fleisch auf den Bäumen wachse.
Insgesamt fünf schwere, oft Monate andauernde Schübe durchleidet George bis 1810. Ab diesem Zeitpunkt sind die Wahnattacken manifest und unheilbar. Vor dem Parlament wird verkündet: »Rex noster insanit.« Man wählt mit Absicht die lateinische Formulierung, weil das vornehmer klingt als: Unser König ist wahnsinnig.
Der bereits 72-jährige Monarch wird in Windsor bis zu seinem Tod im Jahr 1820 in Gewahrsam genommen. Seine zehn letzten Lebensjahre verbringt der König fürderhin im Gespräch mit Engeln. Zugleich setzt Altersdemenz ein, und George III. vergisst endgültig, dass er König und dass England sein Reich ist. Was für ihn hoffentlich eine Gnade war.
Die gängige Erklärung für die zunehmende geistige Umnachtung des Monarchen ist eine seltene Störung des Blutstoffwechsels namens Porphyrie. Zu den Symptomen der Krankheit zählen neben krampfartigen Bauschmerzen und einer Schädigung der Leber auch psychotische Zustände und Delirien, die von Nerven- und Hirnstörungen ausgelöst werden. Ursache der Erkrankung,
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