Sex and Crime auf Königsthronen
Der eitle Twen und die alternde Tudor-Queen ziehen sich in den kommenden Jahren gern in die Privatgemächer der Königin zurück, wo sie unter viel Gekicher diversen Brett- und Kartenspielen frönen. Beide scheinen eher in sich selbst als ineinander vernarrt. Das geht gut, solange ihr gemeinsames Hobby die huldvolle Verehrung der Virgin Queen ist.
Devereux will selbstverständlich mehr.
Nämlich Geld, eine Beförderung und die Favoritenrolle. All das bekommt er. 1599 schließlich steigt der Edelmann, den seine Konkurrenten für den Prototyp des selbstverliebten Schwätzers halten, zum Lord Lieutenant von Irland auf. Dort soll er Rebellen in die Flucht schlagen. Das misslingt. Gegen den ausdrücklichen Befehl der Königin schließt Devereux Waffenstillstand mit den Aufrührern; das geht schneller. Hernach entfernt sich der Earl unerlaubt von seiner Truppe und kehrt ins geliebte London zurück. Seine im Stich gelassenen Soldaten meutern und desertieren. Die Queen ist not amused und ordnet ein Gerichtsverfahren an.
Einen haarsträubend dummen Patzer erlaubt sich Devereux, als er 1599 unerlaubt in Elisabeth Schlafgemächer eindringt, um sich aus allem herauszureden. Der zu diesem Zeitpunkt 35-Jährige überrascht die Königin bar ihrer Perücke, ihres Make-ups und ihrer aufwendigen Robe. Die 66-Jährige beendet die unerwünschte »Audienz« sofort.
Auch vor dem Geheimrat der Königin kann sich Deserteur Devereux nicht charmant herausreden. Man stellt ihn wegen Feigheit vor dem Feind und wegen Verrat für zehn Monate unter Hausarrest. Essex wird aller Ämter enthoben. Auch sein einträgliches Monopol für den Import von Süßwein ist er los. Fürderhin streicht er keine Zollabgaben für die Einfuhr von Sherry mehr ein.
Immerhin hebt Elisabeth den Hausarrest wieder auf, und Höflinge befürchten, dass Darling Devereux sich mit lyrischen Lobhymnen wieder in Elisabeths Herz schmeicheln wird.
Doch diesmal verlegt sich der eitle Earl von der Schwatz- auf die Staatskunst. Er schließt sich Intriganten rund um König James IV. von Schottland an. Dieser ist der Sohn der 1587 hingerichteten Maria Stuart, und er freut sich bereits auf Englands Thron. Schließlich ist Jungfernkönigin Elisabeth kinderlos und er der erste Nachfolgekandidat. Devereux will die Thronfrage schon 1600 endgültig klären, die Queen absetzen und bis zu deren Tod als Lord Protector die Geschäfte lenken. Vorwand für den Staatsstreich ist die Spanien-Politik von Elisabeths Räten, die einigen Engländern inzwischen zu nachgiebig ist.
Mit rund 200 Soldaten versucht Essex am 8. Februar 1601 die Londoner Bevölkerung zum Massenaufstand zu bewegen. Als vorgeblicher Retter der Königin vor ihren Räten und vor den Verrätern zieht er durch die Gassen der City. Mit den Rufen: »Für die Queen! Für die Queen! England soll an die Spanier verkauft werden! Und gegen mich plant man ein Komplott!«.
Londons Bürger bleiben lieber daheim. Siebzehn Tage später wird Devereux geköpft für einen Putschversuch, der einer Schmierenkomödie ähnelt.
Seinen letzten Auftritt auf dem Schafott im Tower-Hof gestaltet der Delinquent und Hobbydichter hingegen als großen Abgang. Sein tragischer Schlussmonolog gelingt großartig, trotz gewisser Überlängen.
Im Morgengrauen des 25. Februar 1601 besteigt der 36-Jährige das Blutgerüst. Er wendet sich an die Menge. Er beteuert, er danke Gott für das gerechte Urteil:
Meine Sünden sind zahlreicher als die Haare auf meinem Kopf. Ich habe meine Jugend mit Ausschweifungen, Sünden der Lust und mit Schmutz verschwendet. Ich war erfüllt von unmäßigem Stolz, Eitelkeit und der Liebe zu den Vergnügungen dieser niederträchtigen Welt. Für all das ersuche ich meinen Erlöser Christus, als mein Fürsprecher vor Gott um Gnade zu bitten. Vor allem für meine letzte Sünde, diese große, blutige, schreiende, krankhafte Sünde, durch die so viele aus Liebe zu mir verleitet wurden, den Allmächtigen zu beleidigen …
Und so weiter. Wortreich wie Devereux bereuen die wenigsten Todeskandidaten auf dem Tower-Schafott ihre Sünden.
Am Ende schwört er der Königin etwas knapper ewige Treue, legt den Mantel ab und kniet sich vor den Block. Hier spricht er noch einmal das Vaterunser, vergibt wie üblich dem Henker und spricht mit dem Beichtvater das Glaubensbekenntnis. Und das war noch nicht alles.
Devereux steht wieder auf, zieht sein Wams aus. Er kann durch eine scharlachrote Weste, die er darunter trägt, erstaunen. Wieder kniet er
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