Sex and Crime auf Königsthronen
während ihrer Tower-Haft die Wahnsinnige spielt. Idioten dürfen nämlich nicht geköpft werden, weil sie als Gottes Narren gelten. Lady Jane nimmt man den Irrsinn nicht ab.
Dass sie tatsächlich halbwegs klar im Kopf ist, beweist sie vor dem Gang zum Schafott. Die ehemalige Mrs Boleyn gesteht, dass ihr Tod eine gerechte Strafe ist dafür, dass sie ihren Mann fälschlich der Blutschande mit Anne Boleyn bezichtigt hat. »Dafür verdiene ich zu sterben«, befindet sie, und der Henker gibt ihr mit einem Hieb seiner Axt recht.
Der 52-jährige Heinrich Tudor ist hochgradig enttäuscht über die Untreue seiner Frau Nummer fünf, die er doch immer seine »Rose ohne Dornen« genannt hat.
Seine Gärtner mussten in Hampton Court extra eine entsprechende dornenfreie Rosensorte züchten, womit Catherine Howard einen botanischen Beitrag zur Weltgeschichte geleistet hat. Ansonsten wird sie als ausgemachter Hohlkopf dargestellt. Was reichlich überheblich ist.
Die jüngste Braut Heinrichs VIII. hat Mitgefühl und Verständnis verdient. Sie musste das Bett mit einem Mann teilen, dessen Wadengeschwüre unablässig stinkenden Eiter und Blut absonderten, der inzwischen ein Gewicht von beinahe 160 Kilo auf die Waage brachte und der entsetzlich launisch war. Die Juwelen und die Kleider, mit denen Heinrich den Teenager überschüttet hat, werden ein geringerer Trost gewesen sein als ihr bildhübscher Liebhaber Thomas Culpepper.
Ihm sollen auch die letzten Worte der kleinen Katharina gegolten haben: »Ich sterbe als Königin von England, aber lieber wäre ich als Mrs Culpepper gestorben.«
Sie ahnen es sicher: Dieses Paradebeispiel für britischen Galgenhumor ist gut erfunden. Weit rührender und wahr ist, dass Catherine Howard, Heinrichs Nummer fünf, den Tower-Chef Kingston in der Nacht vor ihrer Hinrichtung um einen Henkersblock bittet. Sie übt in ihrer Zelle, wie man den Kopf richtig darauf platziert. Katherine will wenigstens sterben wie eine Königin, wenn sie schon nicht gelebt hat wie eine.
So verschieden Heinrichs Frauen sind, eins haben sie alle gemein: verdammt viel Courage.
Das gilt auch für die nachfolgende, letzte und sechste Gattin.
1543 findet der Tudor-König Trost bei der attraktiven und vermögenden Witwe Katherine Parr. Bis zu Heinrichs Tod im Jahr 1547 schlüpft die 31-Jährige vor allem in die Rolle seiner Krankenschwester. Der Monarch ist endgültig zum bewegungsunfähigen Koloss angeschwollen und verfault gleichsam bei lebendigem Leib, und auch sein Geisteszustand verschlechtert sich zunehmend. Ein französischer Gesandter berichtet nach Paris, dass der Tudor beim Dinner oft das glatte Gegenteil von dem behauptet, was er noch beim Frühstück als königliche Meinung kundgetan hat. Ähnlich sprunghaft ist seine Laune.
Seinen Gelehrtenambitionen bleibt der Renaissance-König trotzdem treu. Er entwickelt Salbenrezepte für seine offenen Geschwüre, die gemahlene Perlen und Skorpionöl enthalten. Doch die Behandlungspraxis seiner Ärzte ist weit grauenhafter. Die Wadenwunde wird ständig mit einem Brenneisen kauterisiert, dann wieder aufgestochen; daneben werden Rhabarberpillen, Lakritze, Abführmittel und Hämorrhoidensalben eingesetzt. Der bewegungslose Vielfraß ist dauerhaft verstopft. Kein Wunder also, dass der Tudor wie besessen nach einer Wunderkur forscht. Eine Idee aber kommt weder ihm noch den Ärzten, nämlich die, die engen Strumpfbänder wegzulassen, die die Durchblutungsstörungen im Bein erheblich verschlimmern.
Seine Pharma-Experimente bringen den König immerhin auf eine neue Image-Idee. Von Holbein lässt Heinrich sich als der große »Kurator« – also Heiler – malen. Umgeben von Vertretern der medizinischen Zunft und von seinen Bischöfen. Denn als Heiler der Religion will er posthum vor allem bewundert werden. Die englische Bibel hat er freilich wieder eingezogen. Ihn stört, dass nun jeder Schafzüchter die Worte Gottes interpretieren und in Wirtsstuben diskutieren kann. Fürderhin dürfen nur noch Priester, hohe Beamte und handverlesene Höflinge in der Übersetzung der Heiligen Schrift blättern.
Zu seinem Lebensende hin gebärdet der Kloster- und Kirchenzerstörer Heinrich sich wieder als Katholik. Kein Wunder, denn prachtvolle Zeremonien, der Prunk von Messgewändern und der betörende Duft von Weihrauch sagen einem prachtliebenden Menschen wie ihm weit mehr zu als weiß getünchte Kirchen und Priester in schlichtem Schwarz.
Seine anglikanische Kirche hat ein höchst
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