Sex and Crime auf Königsthronen
Heinrichs sechs Frauen. Kunsthistoriker glauben längst nicht mehr an die Theorie, dass Holbein im Auftrag von Cromwell ein bisschen zu dick aufgetragen hat. Das ging gegen die Berufsehre und wäre überdies lebensgefährlich gewesen für ihn. Auch spätere Porträts zeigen die blonde Anna von Kleve als ansehnliche Frau. Wahrscheinlich war Heinrich nicht von ihrem Aussehen, sondern von ihrer ersten Abwehrreaktion und von ihrer sexuellen Naivität enttäuscht. Hinzu kam ihre als bäuerisch beschriebene Garderobe und ein vollkommener Mangel an höfischem savoir faire . Mit so einem »Trampel« konnte unser Tudor-Angeber keinen Staat machen.
Anna hat weder tanzen noch singen oder Englisch gelernt, dafür Luther-Gebete und nähen. Protestantische deutsche Landesfürsten, wie Annas Bruder, erfanden und schätzten die tüchtige, züchtige Hausfrau. Nach Heinrichs Geschmack ist diese neue Mode nicht.
Den Heiratsvermittler und Sekretär Thomas Cromwell, den »Hammer der Mönche«, kostet die unglücklich verlaufene Ehe den Kopf.
Heinrich lässt den Sekretär – mal wieder – wegen Hochverrat verhaften. Er findet es plötzlich skandalös, dass Cromwell ein Freund der Reformation ist, und lässt ihn – ohne vorherigen Prozess – als Ketzer enthaupten. Heinrich braucht ab sofort keine Superminister mehr. Er hat gelernt, die Drecksarbeit allein zu erledigen. Seinem Master Cromwell weint Heinrich, anders als Morus oder Wolsey, auch keine Krokodilstränen mehr nach. Er hat Besseres zu tun.
Im Kreis von Anna von Kleves englischen Hoffräulein hat der Scheidungsrekordler nämlich einen hübschen Fratz und Ersatz für seine Kurzzeitgattin Nummer vier entdeckt.
Es ist die kaum 16-jährige Catherine Howard. Sie ist eine Cousine von Anne Boleyn, keck im Flirten, stets gut gelaunt und für höchst albernes Gekicher bekannt, wie Höflingsbriefe überliefern.
Heinrich heiratet sie 1540 und erlebt seinen zweiten Frühling. Er überhäuft den recht unbedarften Teenager mit Schmuck und Klamotten für Millionenbeträge – nach heutiger Rechnung.
Das junge Glück hebt ihn sogar wieder in den Sattel. Er reitet erneut wilde Parforcejagden, muss allerdings öfter die Pferde wechseln, die unter seinem Gewicht schnell in die Knie gehen.
Klatschmäuler behaupten, dass Catherine den König auch im Bett wieder auf Vordermann bringt, da sie Techniken kenne, die nur einer Hure vertraut sein dürften. Etwa die Reiterstellung, bei der die Dame obenauf sitzt. Es heißt, sie verstehe es, auch ihren Mund als Paradiespforte einzusetzen. Unnötig zu erwähnen, dass dies und alles außer der Missionarstellung eigentlich verboten ist. Heinrich überwindet seine religiösen Zweifel und ist so glücklich, dass er sich die Frage verkneift, woher sein neuer Unschuldsengel derartige Beischlafvarianten kennt.
Protestantische Höflinge und der Reform-Bischof Cranmer holen den vernarrten König auf den Boden der Tatsachen zurück, damit der König statt Sex auch mal wieder Religion in den Kopf bekommt.
Anno 1542 unterbreiten sie dem Tudor schriftliche Beweise für die Untreue seiner minderjährigen Frau. Es sind Beweise für vorangegangene Liaisons des alles andere als jungfräulichen Teenagers. Vergeben und vergessen, sagt Heinrich diesmal noch.
Doch dann tauchen aktuelle Liebesbriefe von Catherine an den hübschen Höfling Thomas Culpepper auf. Der wartet Heinrich persönlich bei Tisch auf. Der Königin ist er im Bett zu Diensten. Das schmeckt dem König nicht.
1542 schickt Heinrich seine Catherine nach anderthalbjähriger Ehe aufs Schafott. Im Gegensatz zu Anne hat die Teen-Queen tatsächlich Ehebruch begangen. Noch dümmer, sie hat zwei ihrer Exboyfriends im königlichen Haushalt untergebracht und sich einer notorisch bösen Hofdame anvertraut, um Culpepper heimlich treffen zu können.
Die Hofdame heißt Lady Jane Rochford, und sie hat schon anno 1536 über Anne Boleyn ausgesagt, diese habe Sex mit ihrem Bruder George gehabt (siehe oben). Damals war Jane vermutlich böse auf George Boleyn, der ihr Ehemann und vielleicht schwul war. Diesmal verrät sie Catherine Howard beim Verhör aus lebensnotwendigen Gründen. Sie will ihren eigenen Kopf retten.
Ihre Mitschuld am Fall Catherine ist offenkundig. Immerhin hätte Lady Rocheford als Hofdame der 16-jährigen Königin auch deren Anstandsdame sein müssen. Ein bedauerliches Novum für Jane ist: Ihr Verrat an ihrer ehemaligen Dienstherrin ist umsonst. Sie wird zum Tod verurteilt, und das, obwohl sie
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