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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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erlaubt, am Machttheater ihrer Männer teilzuhaben. Dass sie dabei nicht offen, sondern verdeckt vorgehen, ist nicht einem weiblichen Hang zur Manipulation zuzuschreiben, sondern dem engen Lebensraster, in dem Frauen sich anno 1600 und noch weit darüber hinaus offiziell betätigen dürfen. Im Gegensatz zu ihrer Ziehtochter ist die resolute Dänin ein Paradebeispiel für jene Frauen ihrer Epoche, die trotz behindernder Verhältnisse Bemerkenswertes leisten.
    Die Dänin Anna beruft sich bei all ihrem Tun – wie die männlichen Zeitgenossen – gern auf Gott und den Glauben, um ihren Spielraum und ihren Einfluss zu erweitern. Was für Menschen in ihrer Umgebung nicht immer angenehme Folgen hat.
    Höflinge, die es mit dem Protestantismus nicht ganz so streng halten wie »Mutter Annen« und in Plaudereien der Hoffnung Ausdruck verleihen, die Chefin loszuwerden, enden auf der Folterbank und im Kerker. Zur Feier solcher Verhaftungen wird eine Gedenkmünze geprägt, in »Erinnerung an den Sieg der Rechtgläubigkeit über die Vernunft« (!). Eine erfrischend klare Ansage, die dem damaligen Papst auch gefallen hätte.
    Aber der ist ja leider Katholik, muss also eigene Gedenkmünzen prägen oder Dankesmessen feiern. Papst Gregor XIII. etwa lässt 1572 im Petersdom das Te Deum singen, nachdem in der Pariser Bartholomäusnacht mehrere Tausend protestantische Hugenotten von einem fanatisierten katholischen Mob massakriert worden sind. Augenzeugen beschreiben das spontane Pogrom im Namen der Religion so: »Da setzte überall in Paris ein Gemetzel ein, dass es bald keine Gasse mehr gab, auch die allerkleinste nicht, wo nicht einer den Tod fand, und das Blut floss über die Straßen, als habe es stark geregnet.« Und: »Schon war der Fluss mit Leichen bedeckt und ganz rot vom Blut.«
    Anno 1600 und noch weit darüber hinaus ist in Europa mit Religionsfragen nicht zu spaßen. Exzessiver religiöser Fundamentalismus durchzieht alle christlichen Konfessionen. Es gibt kaum einen Herrscher jener und späterer Tage, dem man nicht gern Matthäus Kapitel 7, Vers 21 bis 23 zur Lektüre empfohlen hätte. Darin verkündet Jesus bezüglich des Jüngsten Gerichts:
    »Es werden nicht alle, die zu mir sagen: HERR , HERR ! in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: HERR , HERR , haben wir nicht in deinem Namen geweissaget, haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben, haben wir nicht in deinem Namen viel Taten getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie erkannt; weichet alle von mir, ihr Übeltäter!«
    Die frohe Botschaft von der Erlösung durch Christus kommt in Annas Erziehung spektakulär freudlos daher. Anna von Dänemark kümmert sich zwar lobenswerterweise um Schwangere, Kranke und Glaubensverfolgte aus katholischen Gebieten, doch Herzenswärme scheint nicht zu ihren Haupttugenden gezählt zu haben.
    Anna von Sachsen wird am Ende ihres Lebens erklären, dass sie die Stieftante aus tiefstem Herzen gehasst hat. Das Ganze scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen.
    Auch Annas Onkel, Kurfürst August, hat nicht gerade einen Narren an seiner Nichte gefressen. Er gilt als habsüchtig und als Freund der Sparsamkeit. Was Sachsen eine solide Staatskasse beschert und ihm in Geschichtsbüchern Anerkennung einbringt. Augusts Hauptinteresse gilt der Landwirtschaft und der Verbesserung von Anbaumethoden. Besonders als Pomologe – also als Experte für Obstanbau – macht sich der Kurfürst einen Namen. Als »Vater von Sachsen« geht der bodenständige Fürst in die Geschichte ein.
    Geschickte Landesväter sind leider nicht notgedrungen gute Familienväter. In Sachen seiner Stiefnichte Anna zeigt der Regent seine berechnende Seite. Er verwaltet ihr riesiges Erbe zu seinem Vorteil. So wird er sich später weigern, Anna ein Erbteil von 30.000 Talern auszuzahlen, für die sie nur Landverschreibungen besitzt. Als Vormund und Treuhänder eines anderen Adelskindes schreckt der Fürst vor Unterschlagung und Urkundenfälschung nicht zurück, um das ihm anvertraute Legat der eigenen Kasse zuzuführen.
    Von einer behüteten Kindheit im Kreise liebender Anverwandter kann in Annas Fall also nicht die Rede sein. Und das merkt man der emotional unterversorgten Fürstentochter früh an. Sie wird widerspenstig.
    Briefe von Hofdamen berichten, dass das Stiefkind am Dresdner Hof oft trotzig und eigenwillig ist. Man sagt, sie habe einen Sturschädel nach Art ihres im Feld

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