Sex and Crime auf Königsthronen
nun auf die hübsche Idee kommen, dass sich Wilhelms Glückstreffer das Wort »nassauern« – also sich an fremdem Besitz bereichern – verdankt, liegen Sie falsch.
Wilhelm hat nicht genassauert. Im Gegenteil. Das haben stets andere auf Kosten der Nassauer getan. Und zwar so: Im Jahr 1584 gründet ein Bruder Wilhelms auf dessen Anraten in dem oberhessischen Nest (noch mal Pardon) Herborn eine »Hohe Schule«. Also eine Uni, die aber weder vom Kaiser noch vom Papst die Universitätsrechte erhält, weil der Gründer Lutheraner ist. Folglich können Studenten dort nicht promovieren; das geht nur an Unis.
Auf Veranlassung Wilhelms von Oranien erhalten die Herborner Studenten aber die Erlaubnis, an der Göttinger Universität ihre Herborner Studien mit einem Doktortitel zu krönen. Und genau wie zuvor in Herborn bekommen die Nassauer Studenten auch in Göttingen zwei warme Mahlzeiten und drei Liter Dünnbier gratis auf Kosten der Nassauer Staatskasse. Sie sitzen an eigenen Tischen und werden von hungrigen Göttinger Kommilitonen heftig beneidet. Wenn ein Herborner Doktorand den Gang zur Mensa versäumt, machen sich die Göttinger über sein Essen und sein Freibier her. »Ich geh mal nassauern«, kündigen sie diese Mundraubzüge augenzwinkernd an.
Der elfjährige Erbe Wilhelm von Oranien ist also Nassauer, hat aber in Sachen Niederlande nicht genassauert, sondern einfach nur Schwein gehabt.
Kindheit als Exil
Der Preis für das prachtvolle Erbe ist allerdings hoch. Oberster Landes- und Lehnsherr der Niederlande, die das heutige Belgien und Luxemburg einschließen, ist der schon erwähnte Kaiser Karl V. aus dem Haus Habsburg. Zugleich ist er König von Spanien und vor allem strammer Katholik.
Der kann einen lutherischen Erben unter seinen niederländischen Hochadligen nicht gebrauchen. Darum verlangt er, dass der knapp zwölfjährige Wilhelm 1545 von Dillenburg nach Brüssel übersiedelt. Zwecks religiöser und politischer Umschulung zum kaisertreuen Vasallen. Und zwar mutter- und vaterseelenallein. Der kleine Prinz ist eben an erster Stelle Objekt dynastischer Familienpolitik und nicht Mamas Liebling.
Viele Adelskinder werden ab dem 12. Lebensjahr einer aushäusigen Erziehung übergeben, bevorzugt in einer Familie oder im Kloster, wo die Gastkinder im Sinne der Herkunftsfamilie erzogen werden. Das ist bei Wilhelm nicht der Fall.
Schon als zarter Teenager sitzt er religiös, politisch und kulturell zwischen mehreren Stühlen. Heuchelei und Maskenspiel werden für ihn zum Pflichtprogramm, er selbst wird zu einem konfessionellen und politischen Chamäleon. Der erwachsene Prinz weiß oft selbst nicht, wo er hingehört – außer nach ganz oben.
Wem die Familientrennung zwecks Machtteilhabe finster und mittelalterlich vorkommt, der möge an den Generalissimo Franco von Spanien denken. Europas letzter faschistischer Diktator nahm den heutigen spanischen König Juan Carlos 1948 als Zehnjährigen dessen im Exil lebenden Eltern weg, um ihn in seinem Sinne zum Nachfolger zu erziehen. Der kleine Prinz Juan de Bourbon musste sich allein von Portugal zum schwarzen General nach Madrid begeben, um seine Dynastie zu retten. Nach Francos Tod wurde Juan Carlos – entgegen Francos faschistischen Plänen – zum friedlichen Vorkämpfer der Demokratie in Spanien. Er ist ein Monarch, vor dem seine wahlberechtigten Untertanen sich heute gern und mit gutem Grund verneigen.
Wilhelm von Oranien sollte in den Niederlanden beinahe vierhundert Jahre zuvor eine ähnlich dramatische Entwicklung durchmachen. Wobei der damalige spanische König und gleichzeitige Kaiser Karl V. in keinster Weise mit dem Diktator Franco verglichen werden soll und darf.
Während sich Jung Wilhelm auf der Dillenburg gemeinsam mit zwei befreundeten Grafensöhnen auf seinen Umzug in das prachtvolle Kastell von Breda vorbereitet, kommt in Dresden am 23. November 1544 eine seiner künftigen Bräute zur Welt. Anna von Sachsen.
Eine verwaiste Prinzessin
Als Tochter eines der mächtigsten Kurfürsten Deutschlands ist Anna eine glanzvolle (Heirats-)Zukunft sicher. Erst recht nachdem ihr jüngerer Bruder 1546 stirbt und Anna als Einzelkind zur einzigen Erbin wird. Im Gegensatz zu Wilhelms Vater ist der ihre einer der reichsten und mächtigsten deutschen Landesherren.
Anna wird wie Wilhelm lutherisch erzogen. Unterrichtshauptfach ist Bibellektüre. Die blonde Fürstentochter gilt als fromme und intelligente Schülerin; ihre Mutter Agnes von Hessen soll sie verwöhnt
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