Sex and Crime auf Königsthronen
lediglich darauf achten, nicht ganze Landstriche zu entvölkern. Was darauf schließen lässt, wie groß der religiöse Ungehorsam anno 1600 in ihrem Regierungsbezirk ist.
Noch gnadenloser als die Lutheraner lässt der Kaiser die Wiedertäufer verfolgen. Diese Glaubensströmung breitet sich zwischen 1531 und 1534 in den niederländischen Nordprovinzen – vor allem in Holland – aus. Also dort, wo sich Wilhelm von Oraniens Erbgüter befinden.
Die Wiedertäufer glauben, dass die Errichtung eines Tausendjährigen Reiches Gottes auf Erden bevorstehe. Die Bewegung ist bei Bauern und armen Bevölkerungsgruppen beliebt. Sie lässt auf rasche Erlösung aus sozialem Elend hoffen. Allerdings nicht lange.
In Amsterdam wird 1534 ein Widertäuferaufstand zugunsten des kommenden Gottes blutig niedergeschlagen. 1535 fällt das Widertäuferreich von Münster, das von niederländischen Glaubensbrüdern tatkräftig unterstützt wird.
Ingesamt 2000 Wiedertäufer lässt Karl V. während seiner Regierungszeit europaweit hinrichten. Nach der kaiserlichen Säuberungsaktion erwarten die Wiedertäufer vorzugsweise heimlich und passiv das Himmelreich auf Erden.
Ab 1540 fassen die Calvinisten Fuß in den Niederlanden – wiederum vor allem in den Nordprovinzen. Zu Calvins Lehre bekennen sich vor allem Handwerker, Kaufleute und der niedere Adel. Also gesellschaftliche Stände, die wirtschaftliche Macht und Einfluss haben. Der Kalvinismus ist kämpferischer als das Luthertum. Er erlaubt ein weltliches Widerstandsrecht gegen Herrscher, solange diese noch nicht zum einzig wahren, also ihrem Gottesbegriff bekehrt sind. Ein Unding für göttlich gesalbte Könige. Die Kirchenverfassung dieser Lehre, die der Genfer Reformator Johannes Calvin begründet, kennt Mitbestimmungsrechte und lehnt strenge Hierarchien in der Gemeinde ab. Erste Ansätze von demokratischen Strukturen sind unübersehbar.
Aus all diesen Gründen werden die Calvinisten zur größten Gefahr für den Landesherrn Karl V. und erst recht für seinen Sohn und späteren Nachfolger Philipp II.
Kurz: In Sachen Treue zum katholischen Glauben können die spanischen Habsburger im Interesse ihrer Machtfülle keine Gnade walten lassen. Der Papst gibt seinen Segen dazu und erlaubt in den Niederlanden eine »apostolische Sonderinquisition«. Diese Behörde hat das Recht, jeden Verdächtigen festzunehmen, an einem Ort ihres Gutdünkens vor Gericht zu stellen, zum Tod zu verurteilen und zugunsten der Krone zu enteignen. Vorbild ist die spanische Inquisition.
Das Verfahren mag fromm gemeint gewesen sein, ist aber im Grunde nur ein prachtvolles Herrschaftsinstrument. So kann der Kaiser unter frommem Vorwand einen widerspenstigen Adligen in Verdacht der Ketzerei bringen oder Gerüchten darüber Glauben schenken und ihn per Ketzerurteil entmachten und enteignen.
Da bleibt man im niederländischen Adel doch gern Katholik, und zwar eisern.
Kaiserschüler Wilhelm von Oranien schwört mit 12 Jahren dem Glauben seiner Eltern ab. Brav besucht er die Messe, wie die Generalstatthalterin Maria von Ungarn ihrem herumreisenden Bruder Karl V. regelmäßig berichtet. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, und für Wilhelm ist die Karriere das Wichtigste. Wie die meisten Mitglieder des Hochadels nimmt er lange nicht Anstoß an der aus Spanien importierten Ketzerpolitik.
Der hübsche Prinz will und muss eine Art linientreuer Politbeamter werden und ein Militär, der im Namen des Kaisers auch mit Waffengewalt durchgreifen kann. Gegen Ketzer in den Niederlanden und gegen Feinde von außerhalb. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts herrscht beinahe permanent Krieg zwischen den Habsburgern und Frankreichs Königen um die Vorherrschaft in Europa.
Und damit zum Sport. Körperliche Ertüchtigung als Turnierkämpfer, Reiter, Fechter und Schütze zählen zu Wilhelms Lieblingsfächern. Wie jeder Adlige muss er seinen Machtanspruch buchstäblich »verkörpern« können.
Nicht nur in Sachen Kampftechniken findet Wilhelms Schulung maßgeblich nach dem Prinzip learning by doing statt. Er begleitet die bereits erwähnte Kaiserschwester Maria von Ungarn auch auf Inspektionsreisen durch die Niederlande und zu Staatsempfängen.
1549, da ist Wilhelm 16, erlebt er die feierliche Ankunft von Philipp, dem Sohn und späteren Nachfolger des Kaisers, in den Niederlanden. Der in Spanien erzogene Kronprinz tourt an der Seite seines Vaters wochenlang durch die Niederlande.
Allerorten wird der 23-Jährige mit Festumzügen
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