Sex and Crime auf Königsthronen
Die EU hat nicht umsonst ihren Hauptsitz in Brüssel.
Von der heute belgischen Metropole aus führt in Karls Kindheit zunächst seine Tante Margarethe von Österreich für ihn die Staatsgeschäfte. Ihren Posten und den Titel »Generalstatthalterin der Niederlande« übernimmt ab 1531 Karls Schwester Maria von Ungarn. Ab 1559 ist seine uneheliche Tochter Margarethe von Parma dran, die der Kaiser mit der flotten flandrischen Magd Johanna van der Gheynst gezeugt hat. Ja, auch so kann’s flugs nach oben gehen. Margarethes Großvater hat sein Geld noch als Teppichweber verdient. Die Enkelin darf den kaiserlichen Flickenteppich Niederlande regieren. Wobei sie übrigens viel Einfühlungsvermögen und Geschick zeigt. Ob’s nur an den kaiserlichen Genen lag?
Alle drei Generalstatthalterinnen müssen den heimischen Fürsten, dem adligen Klerus und der Stadtelite beim Regieren alte Mitspracherechte einräumen.
Karl V. weiß als gebürtiger Genter, was sich in den Niederlanden gehört. Man muss die heimische Aristokratie bei Laune und unter Kontrolle halten, ohne ihr das Gefühl zu geben, bloße Handlanger der Habsburger und der kommenden Weltmacht Spanien zu sein. Um diesen Eindruck zu vermeiden, betreibt Karl eine ausgeklügelte Günstlingswirtschaft.
Wer dem Kaiser in den Niederlanden als treuer Vasall dient, kann mit einträglichen Militärkommandos, Verwaltungsposten, weiteren Herrschaftsrechten und mit Landbesitz rechnen. Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit nach dem traditionellen Modell der mittelalterlichen Feudalordnung.
Höchste Ehre ist es, in den exklusiven Klub der »Ritter vom Goldenen Vlies« aufgenommen zu werden. Maximal 40 Männer dürfen mitmachen. Oberhaupt des bereits von burgundischen Herzögen gegründeten Ordens ist der jeweilige Landesherr. Wer von Karl V. zum Ordensritter gewählt wird, darf ihm auch ungebeten Ratschläge in privaten und politischen Fragen erteilen, hat ein Vorzugsrecht auf Posten im Brüssler Staatsrat und beim Militär. Noch besser: Ein Vlies-Ritter untersteht bei Rechtsverletzungen nur dem Urteilsspruch des Ordens und darf vor kein anderes Gericht gestellt werden. Mehr Narrenfreiheit und Karrieregarantie geht nicht. Klein Wilhelm strebt die höchste Ritterehre früh an und wird sie auch erhalten.
Einem Vlies-Ritter ist neben Macht ein rauschendes High-Society-Leben sicher. Auch das stärkt den Zusammenhalt zwischen dem Kaiser und den Adelsgeschlechtern der Niederlande.
Störend sind für den Kaiser hingegen niederländische Aristokraten, die hartnäckig auf ihre uralten Mitbestimmungsrechte pochen. Noch ärgerlicher sind Adelsherren, die sich weigern, ihre Zustimmung zu Steuererhöhungen zu geben, die die arbeitende Bevölkerung zugunsten Karls und seiner Kriege leisten sollen.
Darum will der Kaiser – wie alle gewitzten neuzeitlichen Monarchen – eine zukunftsweisende Zentralregierung aufbauen. In Brüssel. Statt mit unberechenbaren Lokalgrößen möchte er künftig durch handverlesene und zu diesem Zweck geschulte Vasallen wie Wilhelm von Oranien regieren.
Kommen wir zu einem weiteren Hauptfach des Prinzen. Katholische Religion. Protestant Wilhelm muss es als Konvertit mit Bestnoten absolvieren. Der katholische Glaube ist bei der Zähmung des niederländischen Adels und in Sachen Ruhe und Ordnung unverzichtbar.
Kaiser Karl hat in seinen Niederlanden seit 1519 zahlreiche Ketzeredikte erlassen. Die Lektüre reformatorischer Schriften ist verboten, ihre Erörterung auch im Familienkreis untersagt, niemand darf einen Anhänger protestantischer Lehren beherbergen, und wer sie nicht anzeigt, wird genauso brutal verfolgt wie jene.
Hängen ist die übliche Strafe für männliche Ketzer, falls sie bereuen. Frauen werden wie Kindsmörderinnen und Ehebrecherinnen gern lebendig begraben. So will man verhindern, heißt es, dass Zuschauer bei der Hinrichtung der Weibspersonen auf unzüchtige Gedanken kommen. Am Galgen könnte der Wind die Röcke baumelnder Ketzerinnen hochheben. Da sei Gott vor.
Während Karl V. in Deutschland gegen Luther und dessen Freunde unter den Reichsfürsten wenig ausrichten kann, greift er in den ererbten Niederlanden gnadenlos durch. Bis 1530 lässt er alle Führer der lutherischen Reformation hinrichten. Andere treibt er in die Flucht und zieht ihren Besitz ein. Seine Stellvertreterin und Schwester Maria von Ungarn äußert 1533 die Ansicht, dass man selbst reuige Ketzer gnadenlos ausmerzen müsse. Als Einschränkung setzt sie hinzu, man solle
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