Sex and Crime auf Königsthronen
und sehr geliebt haben. Obwohl sie angeblich hinkte und eine schiefe Schulter hatte – wofür sich aber, wie erwähnt, keine direkten Quellenzeugnisse finden lassen.
Ein 18 Bogen starkes Horoskop, das der Hofastrologe Erasmus Flock der Fürstentochter 1546 stellt, prophezeit der damals zweijährigen Anna viele Freier und versichert, dass sie »keinen Fehl noch Mangel an Gliedmaßen haben, also nicht schielen, hinken, noch höger (einen Buckel) haben wird«. Darüber hinaus wird dem Mädchen ein ausgesprochen glückliches und langes Leben vorhergesagt, was sich als blanke Spökenkiekerei erweist. Nehmen wir einfach an, dass der Astrologe – ansonsten für Krieg und Frieden zuständig – seinem Auftraggeber, dem kurfürstlichen Papa Moritz, eine Freude machen wollte.
Zum Thema Weltpolitik per Horoskop ein Blick in die jüngere Vergangenheit: Nancy Reagan, US -Präsidentengattin von 1981 bis 1989, beschäftigte im Weißen Haus ebenfalls Astrologen, um Ronald beim Regieren zu helfen. Ob’s geholfen hat, dürfen Sie selber beurteilen.
Die kleine Anna von Sachsen ereilt, ihren guten Sternen zum Trotz, schon im Alter von acht Jahren ein Schicksalsschlag. Ihre Kindheit als Sonnenschein-Prinzessin wird durch den Kriegstod des Vaters im Jahr 1553 getrübt. Moritz von Sachsen fällt in einem protestantischen Fürstenaufstand gegen Kaiser Karl V. Der hat Deutschland stets »als das stärkste und kriegerischste Land der Christenheit« bezeichnet und Luther als die Pest der Epoche. Ein Grund mehr, warum der Kaiser den kleinen Wilhelm von O. von seinen Eltern weggeholt hat und ihn rigoros zum Katholiken umerzieht.
Nach dem Tod ihres Vaters anno 1553 heiratet Annas Mutter, Agnes von Hessen, erneut. Sie zieht mit Anna nach Weimar, stirbt aber schon 1555 nach einer Fehlgeburt.
Die Tage Annas von Sachsen als Mamas Liebling sind vorbei. Die elfjährige Vollwaise kehrt an den Dresdner Hof zurück, den inzwischen ihr Onkel August – ein Bruder ihres Vaters – und seine dänische Frau, die ebenfalls Anna heißt, übernommen haben.
Diese Stieftante und Namensvetterin geht unter dem Ehrentitel »Mutter von Sachsen« in die Geschichte ein. Anna von Dänemark importiert starre und triste Lebensregeln nach Dresden. Vor jeder ihrer eigenen Geburten legt die neue Kurfürstin statt Windeln lieber Leichentücher zurecht. Sie rechnet gern mit dem Schlimmsten. Elf Mal werden die Totenleinen gebraucht, nur vier Mal müssen Windeln vorgekramt werden. Als eine ihrer überlebenden Töchter später selbst ein Kind verliert, tröstet die lutherisch-dänische Mama sie: Besser ein Kind sei tot als calvinistisch.
Die Lutheraner verabscheuen die Calvinisten oder Wiedertäufer noch weit mehr als alle Papisten. Traurig, aber wahr: Was sich am ähnlichsten ist, bekämpft sich nicht selten am erbittertsten. Sie kennen das vielleicht aus nächster Verwandtschaft. Wenn nicht, seien Sie froh.
Anna von Sachsens dänische Stieftante ist nicht nur fromm, sondern auch von zupackendem Naturell. Sie buttert für die königliche Tafel, wäscht das Himmelbettzeug selbst, näht dem Gatten Unterhosen, brennt Aquavit (nur als Heilmittel!), erfindet Augentropfen und Magenpflaster. Sie gilt heute als eine Pionierin der Apothekerkunst und hat außerdem Kochbücher hinterlassen.
Entsprechend hausbacken gestaltet sie den Unterricht ihrer Ziehtochter Anna von Sachsen. Die lernt spinnen und nähen, während auf Sprachunterricht und Tanzstunden verzichtet wird. Die kleine Anna, das wissen wir aus Briefen der Erwachsenen, hat den eintönigen Handarbeitsunterricht gehasst, und er hat ihr mehr geschadet als genützt.
Die Erziehung zu einem lutherischen Hausmütterchen hat bereits der deutschen Adelsbraut Anna von Kleve bei Englands König Heinrich VIII. Minuspunkte eingebracht. Auch Anna von Sachsen wird dank Bildungsmangel im Kreis der internationalen Adelselite um Wilhelm von Oranien später Probleme bekommen.
Zurück zu ihrer gestrengen Ziehmutter: Mit einer züchtig waltenden Hausfrau im Sinne von Schillers Gedicht »Die Glocke« darf man die Dänin selber in keinem Fall verwechseln. Weil Hausarbeit, Kinderaufzucht und Kräuterkunde die Landesmutter nicht ausfüllen, mischt sie auch in den Staatsgeschäften des Gatten mit, und zwar so deutlich, dass in Spottschriften von einer Gynäkokratie (Weiberherrschaft) am sächsischen Hof die Rede ist.
Politische Mitwirkung durch die Hintertür ist eine der wenigen Möglichkeiten, die es Fürstinnen und Königsgattinnen
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