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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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gefallenen Papas Moritz, über den es hieß: »Wo er den Kopf hinstreckt, da ist er nicht wohl zu wenden.«
    Für einen Fürsten ist dies eine nützliche Tugend, für ein Mädchen ist es das Gegenteil.
    Als äußerst standesstolz gilt Anna von Sachsen außerdem. Immerhin ist sie ein Heiratsobjekt erster Klasse. Andere Erwerbsquellen als eine möglichst lukrative Ehe hat sie als Adelstochter nicht. Sie muss ihr Leben heiraten, statt es selber zu führen. Bei manchen Frauen ist das noch heute beliebt.
    Bewerber um Annas Hand stehen ab ihrem elften Lebensjahr – also ab 1556 – Schlange. Es wird eine Warteschlange, in die sich unter anderem der Thronfolger von Schweden einreiht. Annas Verwandte und – Skandal! – auch sie selbst sind wählerisch und voll Hoffnung auf eine royale Partie, möglichst eine lutherische.
    Den inzwischen katholischen Kaiserzögling Wilhelm von Oranien mit Wohnsitz in Brüssel und Breda haben die Sachsen nicht auf der Liste. Trotz seines glanzvollen Erbes rangiert er als geborener Grafensohn weit unter ihrem Stand und ihrer kurfürstlichen Würde. Geburtsrecht gilt bei Adel und Königs nun mal per definitionem mehr als das Prinzip Leistung.

Wilhelm von O. wird Kaisers Liebling und Musterschüler
    Zurück ins Jahr 1546 und in die Niederlande. Nach einer kurzen Akklimatisierung Wilhelms in Breda beginnt am kaiserlichen Hof zu Brüssel die Umschulung des dreizehnjährigen Oraniers. Aus dem getauften Lutheraner muss ein Katholik, Höfling und loyaler Vasall des habsburgischen Kaisers Karl V. werden.
    Wilhelm hat ein strammes Lernpensum zu absolvieren. Es umfasst die Fächer Religion, Staatskunde, Diplomatie, Geschichte, Sprachen, königliche Sportarten, Ritterideale, höfisches Benehmen und eine gehörige Portion Geografie. Schauen wir in seinen Lehrplan hinein. Er ist anspruchsvoll und höllisch kompliziert. Trösten wir uns damit, dass wir an königlichen Schulstunden teilnehmen, die früher nur einer Handvoll Menschen vergönnt waren.
    Zunächst zur Erdkunde:
    Gemeint ist mit den Niederlanden Mitte des 16. Jahrhunderts das Gebiet der heutigen Beneluxstaaten, ein beträchtlicher Teil Nordfrankreichs und Regionen Nordwestdeutschlands. Um die Sache noch unübersichtlicher zu machen: Die Niederlande sind nur Teil des mittelalterlichen Superherzogtums Burgund. Schon das war ein geografischer, religiöser, politischer und sozialer Flickenteppich. Das Haus Habsburg hat ihn sich im 15. Jahrhundert als Erbland angeheiratet, genau wie später Spanien.
    Im 16. Jahrhundert sind die Niederlande das »Filetstück« des alten Burgund (frz. Bourgogne), und Brüssel hat Dijon den Rang als Regierungs- und Residenzstadt des burgundischen Hofes abgelaufen. Hofsprache bleibt das Französische.
    Die Niederlande sind zu Kaiser Karls Zeiten das am dichtesten besiedelte Gebiet Europas. Es ist in 17 Provinzen unterteilt. Dazu gehören die hochurbanisierten Gewerbe- und Handelsregionen von Flandern und Brabant mit Brüssel und der Welthandelsmetropole Antwerpen, Grafschaften wie Holland und Überseehäfen wie Amsterdam. Kurz: Die Niederlande sind wirtschaftliche Kronjuwelen von unschätzbarem Wert.
    Allerdings nur, solange dort Ruhe und Ordnung herrscht, solange die Kaufleute, Handwerker und Bauern brav arbeiten und Steuern zahlen und niemand religiösen Ärger à la Luther macht.
    Damit das so ist und bleibt, braucht Kaiser Karl V. in den Niederlanden loyale Verwalter und Stellvertreter. Wilhelm von Oranien soll einer von ihnen werden. Dazu muss das Dillenburger Landei auch die Fächer Staatskunde und Geschichte büffeln.
    Das Haus Habsburg ist ein royales Familienunternehmen, das weltweit tätig ist. Das ererbte, erheiratete und erkämpfte Reich Karls V. ist so groß, dass darin »die Sonne niemals untergeht«. Neben Spanien, Österreich, Teilen Italiens und Frankreichs sowie Deutschland gehören auch Kolumbus’ Kolonien dazu. Und eben die reichen Niederlande, wo Karl V. im Jahr 1500 geboren und von einer Tante erzogen wurde.
    Einige Historiker nennen Karl V. den »ersten Europäer«. Eine Art EU hat der natürlich nicht im Sinn. Er ist Dynast und will ein habsburgisches Europa schaffen. Zu diesem Zweck ist der Kaiser ständig in der (seiner) Weltgeschichte unterwegs, während Verwandte die Erbländer regieren.
    Auch wenn Karl als Hauptwohnsitz ab 1517 Spanien wählt, liegt ihm das Land seiner Kindertage und vor allem Flandern besonders am Herzen. Die Folgen der kaiserlichen Heimatliebe prägen Europa noch heute.

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