Sex and Crime auf Königsthronen
gotischer Kirchen und prachtvollen Wirtshäusern leicht Bilder aus den Tagen von gepanzerten Reitern und edel gewandeten Höflingen – wie Wilhelm von Oranien einer war – auferstehen lassen.
Zecherlärm stört die Fantasiearbeit nicht. Im Gegenteil. Den gibt es in Wilhelms Tagen reichlich. Und der Teenagerprinz ist in Sachen zwanglose Lebensfreude immer mit von der Partie. Dass der Prinz bei nächtlichen Kneipentouren auch den holländischen und flandrischen »meisjes« und »maykens« zugetan ist und gern Hurenschenken besucht, gilt als sicher.
Sexuelle Umtriebigkeit gehört zum Geburtsrecht männlicher Adliger. Potentaten der Renaissance leben ihre Männlichkeit gern aus und führen sie plakativ zur Schau. Schamkapseln statt Hosenlatz sind modisch Trumpf. Erfunden werden sie bereits im 15. Jahrhundert im französischen Burgund. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind sie ein modisches Muss. Aus Puff- und Pluderhosen ragen Genitalienschoner hervor – wir haben darüber schon bei Heinrich VIII. gesprochen –, die weniger dem Schutz und schon gar nicht der Verhüllung des adligen Gemächts dienen. Von innen gepolstert, gern verziert mit Schleifchen und zu Hörnern von abnormer Größe hochgebogen, täuschen sie eine Dauererektion vor.
Eine frühe burgundische Quelle vermerkt in Sachen Schamkapseln sinngemäß: Das junge Volk trug Röcke, die nicht mehr als eine Handbreit unter den Gürtel reichten. Und die Hosen seien »so scharf gemacht«, dass sie »die arßkerb« teilten. Weiter im O-Ton der Quelle: »Das war ein hübsch ding, und (die Hosen) hatten züllen (Schamkapseln) … groß und spitz vorausgohn. Wenn einer vor dem tisch stand, so lag ihm die züll auf dem Tisch.« Zur allgemeinen Bewunderung.
Die Zurschaustellung ist sexuell und politisch gemeint. Der ideale Edelmann verkörpert seine übermenschliche Größe nicht nur als kraftstrotzender Ritter. Mächtige Geschlechtswerkzeuge dienen als Beweis für Potenz und Zeugungsfähigkeit. Die Fortpflanzung der Dynastie ist schließlich Staatsgeschäft. Wer heute sein bestes Stück mit Viagra aufpumpt, es chirurgisch vergrößern oder verlängern lässt, muss sich eine bessere Erklärung einfallen lassen. Fortpflanzung und Politik stehen dabei sicher nicht im Vordergrund.
Der Oranier hingegen verliert bei aller Zügellosigkeit beides nie aus dem Blick und wird sechzehn legale Nachkommen hinterlassen. Bastarde hat er zudem produziert. Doch seine zahllosen Geliebten sind nur »spilkinder«, wie er im Ton der Zeit sagt. Ein Aufstieg per Heirat und eine reiche Mitgift sind wichtiger. Weshalb Wilhelm, Sohn eines Provinzgrafen, auch im Fach »Minne und offizielles Höflingsbenehmen« eine Eins plus anstrebt.
Seine Begabung für verbindlich-unverbindlichen Smalltalk und seine Tanzkünste werden gerühmt. Schreit- und Sprungtänze wie Pavane und Gaillarde, bei denen Berührungen verboten, aber heiße Blicke erlaubt sind, stilisieren das erotische Spiel gegenseitiger Verführung und dienen der Brautwerbung. Der Hof zu Brüssel ist einer der wichtigsten Flirt- und Heiratsmärkte der europäischen Adelssociety.
Doch es gilt, haarscharf zwischen standesgemäßem Freien bei Hof und Sex zum Vergnügen außerhalb zu trennen. Höflinge und Hofdamen, die unerlaubte Affären miteinander beginnen, riskieren ihren Ruf und im Fall der Dame ihre Heiratschancen. Manchmal sogar ihr Leben. Beispiel gefällig?
Der Schneewittchenmord zu Brüssel
Eine tödliche Amour fou spielt sich zwischen den Jahren 1549 bis 1554 am Brüsseler Hof ab. Wilhelm wird Beginn und Ende der Affäre miterlebt haben. Das deutsche Hoffräulein Margarethe von Waldeck kommt mit 16 Jahren an den Hof. Sie gilt als atemberaubend schön und erregt das Interesse vieler Adelsherren. Graf von Egmont – ein enger Freund Wilhelms – und selbst der blasse spanische Prinz Philipp von Spanien machen der Deutschen eindeutige Angebote.
Von beiden soll Margarethe nicht nur Gunstbeweise, sondern reichlich Gulden entgegengenommen haben. Ihre – wie auch immer beschaffenen – Minnedienste sind dem Kaiser und seiner Generalstatthalterin ein Dorn im Auge.
Als das Gerücht aufkommt, Kronprinz Philipp hege vielleicht ernstere Absichten, ist Schluss mit lustig. Die hessische Adelstochter erkrankt recht plötzlich. Sie stirbt 1554 unter mysteriösen Umständen an Fieber und Leibschmerzen. In einer Heimatchronik aus Waldeck ist vermerkt, die schöne, junge Margarethe sei vergiftet worden. Als ein Indiz für diese
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