Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sex and the Office

Sex and the Office

Titel: Sex and the Office Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Sternberg
Vom Netzwerk:
begrüßte mich mit einem Wangenküsschen. »Darf ich vorstellen, Ricarda Fabiani, eine ehemalige Praktikantin und derzeit Redakteurin bei einer Late-Night-Show. Das nenne ich Karriere. Ricarda, das ist Charlotte Paul.«
    Die Bohnenstange bedachte mich mit einem Lächeln, das ich nicht deuten konnte.
    »Tja, dann vielleicht bis später«, zischelte sie und hatte sich schneller als man das Wort »Late-Night-Show« aussprechen konnte, zu einem alten Sack im teuer aussehenden Anzug gesellt.
    »Die Ausstellung ist wirklich klasse«, meinte ich, mehr um irgendetwas zu sagen.
    »Ja, da hat sich die Leibovitz wieder einmal selbst übertroffen«, fand Leon Wenzel, der jetzt dicht neben mir stand und meinem Blick zu einem Schwarz-Weiß-Porträt gefolgt war.
    »Wo ist sie eigentlich?«, fragte ich und blickte mich um.
    »Wer?«
    »Na, die Künstlerin. Sie sagten doch, sie sei heute Abend hier.«
    Er rieb sich den Nacken. »Die ist leider kurzfristig verhindert.«
    »Oh, das ist aber schade.« Sehr sogar.
    »Irgendwoher kenne ich dieses Gesicht doch«, wechselte er rasch das Thema und zeigte auf das Porträt, das etwas abseits hing und aus einer älteren Schaffensphase der Künstlerin stammte.
    Ungläubig lächelte ich ihn an. »Das ist Susan Sontag.«
    »Ah ja, richtig«, sagte er und ließ unsere Weingläser auffüllen.
    Ich kniff die Augen zusammen und betrachtete das Bild eindringlich. »Es ist, als könnte man die Vertrautheit zwischen der Fotografin und ihrer Muse förmlich mit den Händen greifen.«
    »Mmh …«, murmelte Leon Wenzel und ging zügig weiter. »Und wer ist das da?«, stellte er mein Wissen weiter auf den Prüfstand, während wir durch die Galerie schlenderten.
    »Merce Cunningham. Er galt als einer der bedeutendsten amerikanischen Choreografen«, sagte ich wie aus der Pistole geschossen und belohnte mich dafür mit ein paar Lachs-und-Makrelen-Kanapees.
    »Nicht übel«, bemerkte Leon Wenzel, wobei ich mir nicht sicher war, ob sein Kommentar mir oder der vorbeilaufenden Kellnerin im kurzen Rock galt.
    »Ich sag’s ja, im Ressort Kultur und Gesellschaft wäre ich voll in meinem Element«, machte ich weiter, doch Leon Wenzel ging nicht darauf ein. Ein knappes Lächeln. Das war alles. Ich spülte meine Enttäuschung mit einem ordentlichen Schluck Wein hinunter, als im nächsten Moment etwas völlig Unvorhergesehenes geschah. Leon Wenzel straffte sich und deutete mit dem Kinn über meine Schulter. »Dass Norman Foster hier auftauchen würde, nenne ich wirklich eine Überraschung.«
    »Wer?«, fragte ich, schon leicht beschwipst. Schließlich hatte ich auf Max’ Feier bereits reichlich Bier getrunken.
    »Na, Foster, Sie wissen schon, der renommierte Architekt, den Sie mal interviewt haben. Ich bin noch immer verblüfft, wie Sie an den rankommen konnten, denn soweit ich weiß, gibt der Baron weniger Interviews als der Papst.«
    Ich erschauerte. Ganz langsam drehte ich mich nach einem uralten Mann um, als sich meine schlimmsten Befürchtungen bestätigten: Er war es tatsächlich. O. Mein. Gott. Keine zehn Meter entfernt stand Baron Norman Foster. Der Norman Foster, der für seine Verdienste von Königin Elizabeth II . in den Adelsstand erhoben wurde. Der Norman Foster, der mit dem Pritzker-Preis, oder wie das Ding hieß, ausgezeichnet worden war und dem deutschen Orden für Wissenschaften und Künste angehörte. Der Norman Foster, mit dem ich im ganzen Leben noch nie ein Interview geführt hatte! Der kleine Fake im Lebenslauf war Max’ Idee gewesen. Da ich unbedingt ins Ressort Kultur und Gesellschaft wollte, aber noch nie zuvor jemanden aus der Kunstszene interviewt hatte, hatte Max vorgeschlagen, diesen kleinen Schönheitsfehler zu korrigieren, in dem wir schlichtweg das Gegenteil behaupteten. Unsere Wahl war mehr zufällig auf Sir Norman Foster gefallen, da uns dieser zwar bedeutend genug erschien, um mit ihm aufzutrumpfen, wir aber davon ausgegangen waren, diesem Menschen in hundert Jahren nicht über den Weg zu laufen. Tatsächlich hatte ich mit meinem vermeintlichen Interview sowohl den Personalleiter als auch Leon Wenzel nachhaltig beeindruckt – ein Vorteil, der mir nun das Genick brechen würde.
    »Was halten Sie davon, wenn Sie mich ihm vorstellen«, schlug mein Chef vor. »Foster wird sich doch sicher noch an Sie erinnern.«
    Mein Herz klopfte wie verrückt, und in meiner Not fiel mir nichts Besseres ein, als einen plötzlichen Hustenanfall vorzutäuschen.
    »Alles in Ordnung, Charlotte?« Leon

Weitere Kostenlose Bücher