Sex for One
sie als
bewußtes Ritual vollzieht, schafft man Harmonie zwischen
Körper und Seele, genau wie bei der Meditation. Erotische
Meditation war praktisch, natürlich und nun wissenschaft-lich empfohlen. Sie heilte Streß auf natürliche Weise und
verwandelte Unbehagen in Behagen, indem sexuelle Ener-gie entladen wurde. Sie bildete eine transzendentale Erfah-rung in völliger Harmonie mit der Natur. Und am besten
war, es machte Spaß.
Ich hatte immer gedacht, ich müsse mit untergeschlage-nen Beinen in der Lotusposition in friedlicher Umgebung
sitzen, um zu meditieren. Übrigens befand ich mich beim
Zeichnen und Malen immer im Alphabereich. Sex und Sport
waren beides aktive Formen von Meditation. Ich erinnere
mich, daß ich einmal beim Schwimmen einen »zweiten
Atem« bekam, ganz klar ein meditativer Zustand. Der Lang-streckenläufer meditiert, der Gewichtheber ebenfalls. Ich
erklärte mich zur Langstreckenmasturbatorin, die vor Ver-gnügen keucht.
Mit diesem neuen Verständnis wurde Tantrasex Wirk-lichkeit statt nur ein Modewort. Tantra ist eine uralte Wis-senschaft, die bewußt sexuelle Energie benutzt. Ihre An-hänger schaffen Lust und Macht und Kontrolle über die
eigene spirituelle Entwicklung durch verstärkte sexuelle
Aktivität. Es ist weder Yoga noch Religion, obwohl es beide
beeinflußt hat. Die vorgeschriebenen Sexualrituale enthal-ten ausdauernde sexuelle Aktivität mit mehrfachen Orgas-men.
Die Tantrabücher, die ich gelesen hatte, basierten alle auf
Heterosexualität, daher dachte ich, die Rituale müßten im-mer mit einem andersgeschlechtlichen Partner vollzogen
werden. In den frühesten tantrischen Texten, so erfuhr ich
später, waren Frauen die Lehrerinnen. Die höchste Form
des Tantra war der rituelle Gruppensex. Ich verstand das
so, daß Sexrituale ein ganzes Spektrum abdeckten. Die
Basis für die spirituelle Entwicklung war das Selbst und das
Grundritual die Masturbation. Als nächstes kam Partner-sex, wobei die Frau den Mann anleitet, seine Energie zu
zähmen, um die Zeit auszudehnen und mehrfache Orgas-men zu haben. Der nächste Schritt war das Dreieck, das die
Konditionierung durchbrach, Sex nur mit einer Person zu
haben, ein wichtiger Schritt zum harmonischen Leben mit
anderen. Spirituelle Entwicklung durch Sex hieß, sexuelle
Energie ohne emotionale Bindungen und Besitzenwollen zu
teilen. Frieden und Harmonie traten durch kollektive Ener-
gie von Individuen in Gruppenritualen ein. In meinen
Workshops hatten alle Frauen einen Orgasmus, wenn wir
die sexuelle Energie in einem angeleiteten Masturbationsri-tual vereinten — das war meine Vorstellung von Tantra-Gruppensex.
Ich sah die Masturbation nun als Meditation über Selbst-liebe, aber nur, wenn ich mich selbst liebe und ein bewußtes
Ritual vollziehe und die Sexualität feiere. Meine Kindheits-und Ehemasturbationen konzentrierten sich darauf, nicht
erwischt zu werden. Ich hatte trainiert, schnell und stumm
zu kommen. Masturbation mit Schuldgefühlen, Wut und
Angst verstärkte nur meine sexuelle Unterdrückung.
Die Kette, die an jenem Tag begann, als ich meinem
kleinen Buch den hochtrabenden Untertitel gab, hatte sich
geschlossen. Ich erkannte, daß ich seit einiger Zeit meditati-ven Sex trieb und sexuelle Energie benutzte, um Körper,
Seele und Geist perfekt zu einem Orgasmus zu verschmel-zen - zu einem kosmischen Augenblick der Freude.
11. Kapitel
Sex und Suchtverhalten
Sex und Drogen gehen Hand in Hand, weil es nicht leicht ist,
vor dem Hintergrund zweitausendjähriger religiöser Ver-leugnung körperlicher Lust den Sex zu genießen. Leider
werden viele Menschen abhängig, und dann ersetzen sie
den Sex durch Drogen. Am wichtigsten ist, die Sucht nicht
moralisch zu sehen. Von Drogen, Liebe oder Essen abhän-gig zu sein macht einen nicht zum schlechten Menschen.
Man hat einfach eine gesellschaftliche Krankheit, und ich
bin nur eine von Millionen, die unter der Pest der Repres-sion leidet. Ich versuche, dem Leid zu entrinnen und Lust zu
gewinnen, will aus dem Gefängnis meiner Persönlichkeit zu
wahrer Freiheit gelangen.
Alkoholkonsum war das Natürlichste von der Welt, wenn
ich Spaß haben wollte. Ich trank gern ein paar Gläser, um
mich zu entspannen und sexuell zu enthemmen. Da ich eher
phasenweise statt täglich trank, glaubte ich, es unter Kon-trolle zu haben. Es dauerte mehr als ein Jahrzehnt, bis ich
erkannte, daß ich vom Alkohol abhängig geworden war. Die
Frau greift zum
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