Sex oder Lüge
bereits wieder eiskalt und der Kaffee bestenfalls noch lauwarm.
Wenigstens schneite es nicht mehr wie noch vor ein paar Stunden, als sie vom Hotel nach Hause gefahren war. Die Sonne schien grell auf die weiße Schneedecke, sodass Miranda sich die Sonnenbrille aufsetzen musste, um überhaupt etwas erkennen zu können.
Der einzige Schneepflug des Ortes war offenbar bereits unterwegs gewesen, und so brauchte sie sich während der Fahrt von ihrem Bungalow zum Blumenladen nicht sehr zu konzentrieren. Was gut war, zumal sie in Gedanken immer noch bei den Ereignissen der letzten Nacht war und gleichzeitig versuchte, die verschlafene halbe Stunde aufzuholen.
Miranda versuchte sich von Caleb abzulenken, indem sie sich ins Gedächtnis rief, was sie heute an Aufträgen zu erledigen hatte: Letzte Woche war ein großer Auftrag eingegangen, jedenfalls groß für ein so kleines Geschäft wie ihres. Und wenn sie jetzt genauer darüber nachdachte …
Die Sträuße und Gestecke waren sicher für dieselbe Hochzeit bestimmt, zu der auch Caleb angereist war.
Zwei große Sträuße für die Bodenvasen seitlich vom Altar in der Kapelle des Romantikhotels, ein Brautstrauß, einer für die Brautjungfer, ein aufwendiges Bouquet für die Brautmutter und Anstecker für den Bräutigam und seinen Trauzeugen.
Der Name auf der Bestellung lautete allerdings weder Eagleton noch Black oder Sparks, aber falls Brenna und der Abgeordnete tatsächlich heiraten wollten, würden sie es geheim halten und sämtliche Bestellungen über Assistenten laufen lassen.
Gut möglich, dachte Miranda, dass Brenna Corinne beim Blumenschmuck ihrer Hochzeit mit einspannt, selbst wenn Corinne sich dessen nicht bewusst ist.
Oft genug hatte Brenna gezeigt, dass sie sich die Versöhnung wünschte. Sie hatte Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke geschickt, die Corinne jedes Mal weiterverschenkt hatte. Selbst Geld hatte Corinne nicht angenommen, und Brennas Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hatte sie immer ignoriert.
Als Miranda sich um halb elf in den Blumenladen schlich, war Corinne bereits dort. Die ältere Frau blickte kurz hoch und arrangierte dann weiter rote Rosen mit silbernen und goldenen Schleifen. „Ist es gestern spät geworden?“
Sofort kehrten Mirandas Gedanken zu Caleb zurück, und bevor sie es verhindern konnte, platzte sie heraus: „Ich habe einen Mann getroffen.“
„Tatsächlich?“ Genau wie Miranda war auch Corinne geschieden und gab sich keiner großen Hoffnung hin, in einem so kleinen Ort wie Mistletoe einen neuen Partner zu finden. „Was Ernsteres? Oder bloß eine Affäre?“
„Könnte auf jeden Fall eine Affäre werden“, gab sie offen zu. „Aber da er nur zu Besuch hier ist, würde ich sagen …“
„Dass es nicht mehr als eine Affäre wird“, beendete Corinne den Satz für sie.
Das ist mein Schicksal, dachte Miranda und seufzte, während sie ihre Handtasche wegschloss und sich die rot-grüne Schürze anzog. „Da arbeite ich in einem Ort, der sich auf Liebespaare spezialisiert hat, aber für mich gibt es hier höchstens mal eine flüchtige Affäre.“ Nach kurzem Zögern fuhr sie fort: „Die erste seit meiner Rückkehr hierher.“
„Man sollte die Hoffnung nie aufgeben.“ Corinne legte den Deckel auf die Blumenschachtel und steckte den Lieferschein dazwischen. „Hat er denn gesagt, wie lange er hierbleibt oder was er hier vorhat? Nur damit ich weiß, an wie vielen Tagen ich ab jetzt morgens ohne dich zurechtkommen muss.“
„Witzig.“ Miranda zog die Nase kraus. Ihr war klar, dass das nicht ganz ernst gemeint war. „Nein, er hat nicht gesagt, wie lange er bleibt, und ab morgen bin ich auch wieder pünktlich. Und was den Grund seines Besuchs hier betrifft …“ Mehr als Gerüchte hatte sie über Brennas Rückkehr nicht zu Ohren bekommen. Stand es ihr zu, Corinne zu verraten, was sie über ihre Tochter gehört hatte?
„Ja?“ Corinne sah sie aus braunen Augen interessiert an. Mit den blonden Strähnen in ihrem schulterlangen Haar sah man ihr ihre 53 Jahre nicht an.
Miranda tastete sich weiter vor, doch Corinne sollte lieber ihre eigenen Schlüsse ziehen. „Er sagte, er sei wegen einer Hochzeit hier.“
„Wegen der, für die wir hier die Sträuße machen?“
„Gut möglich. Er sagte, es sei eine ganz private Feier, aber wenn die Medien davon erfahren, würde ein großer Rummel einsetzen.“
Corinne wurde rot, während sie Miranda die Schachtel mit den Rosen zuschob. Dabei wich sie ihrem Blick aus und ging vom
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