Sex oder Lüge
Baltimore hierher zurückgekommen. Im Nachhinein grenzte es an ein Wunder, dass sie nicht gescheitert war. „Nein, ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich hatte meine Abfindung und die Ersparnisse, aber als ich herausfand, dass das Geschäft zum Verkauf stand, habe ich einfach zugegriffen. Es kam mir so … einfach vor, so unkompliziert.“
„Hattest du denn Erfahrung als Floristin? Oder als Geschäftsfrau?“
„Nur durch meine ehrenamtliche Tätigkeit. Ich habe viele wohltätige Events organisiert, weil ich bei einigen Organisationen mit im Vorstand war. Das kam mir oft wie ein Vollzeitjob vor, aber es hat mir Freude gemacht. Das ist auch so ungefähr das Einzige, was ich hier anfangs vermisst habe.“
Er trank einen Schluck. „Die Nachfrage nach ehrenamtlicher oder wohltätiger Arbeit ist hier sicher eher gering.“
„Stimmt. Und deshalb habe ich auch eine Stiftung gegründet.“
Neugierig sah er sie an. „Wie bitte?“
„Meine Abfindung nach der Scheidung war ziemlich … großzügig.“ Im selben Moment wurde ihr klar, dass sie ihm wieder etwas aus ihrer Vergangenheit verriet. Etwas, das er nutzen konnte, um mehr über sie herauszufinden. Gleichzeitig gestand sie sich ein, dass ihr das bei Weitem keine so große Angst mehr machte wie bei ihrem ersten Treffen.
Was sich seitdem geändert hatte, wollte sie im Moment jedoch lieber nicht ergründen. „Als ich merkte, wie schwer es Corinne fiel, Zoe die Ausbildung zu finanzieren, habe ich Stipendien vergeben. Es gibt ein paar Bedingungen, aber jährlich wird einem Studenten, der Musik, Kunst oder Schriftstellerei studieren will, seine Ausbildung finanziert.“
„Bringt dich so etwas nicht in die Presse? Bist du dadurch nicht eine lokale Berühmtheit?“
Genau das war ja der geniale Punkt! Sie musste lächeln. „Nicht ich, sondern Candy. Die Stiftung heißt ‘Candy Cane Scholarship for the Arts’.“
„Siehst du?“ Er hob das Glas und prostete ihr anerkennend zu. „Wusste ich’s doch, dass du etwas für die Künste übrighast.“
„Meine Künste, nicht deine. Abgesehen davon hast du recht.“ Mit dem Drink in der Hand lehnte sie sich zurück. „Deshalb habe ich auch den Job als Sängerin angenommen. Das Geld, das ich hier im Club verdiene, stecke ich in die Stiftung.“
„Beeindruckend. Miranda Kelly: Unternehmerin, Entertainerin und Förderin der schönen Künste. Und dann noch all die anderen Dinge, für die du gut bist.“
„Zum Beispiel?“ Unter dem Tisch gab sie ihm einen Tritt vors Schienbein. „Du bewegst dich auf sehr dünnem Eis, mein Freund. Wenn du nicht aufpasst, bekommst du überhaupt nichts mehr von diesen anderen Dingen, wie du sie nennst.“
Sofort setzte er sich aufrecht hin und salutierte grinsend. „Entschuldigen Sie, Sir.“
Nachdenklich sah sie ihn an. „Hast du schon recherchiert, um herauszufinden, wer ich bin?“
Eindringlich erwiderte er ihren Blick. „Ich war versucht, deinen Namen bei Google einzugeben, aber ich kam von meinem Zimmer aus nicht ins Internet. Danach habe ich zu arbeiten angefangen, die Zeit vergessen, und dann fing deine Show bereits an.“
Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie hätte gedacht, dass er unverzüglich alles daransetzen würde, ihre Vergangenheit auszugraben. Entweder lag ihm überhaupt nicht so viel an ihr, oder sie hatte ihn falsch eingeschätzt, und er war gar nicht so skrupellos, wie sie gedacht hatte. „Geschieht dir das oft, dass du so in deine Arbeit vertieft bist?“
Nachsichtig lächelte er sie an. „Du meinst die Kolumnen und Artikel in Zeitschriften und Zeitungen? Auch die kann man nur verfassen, wenn man sich voll und ganz darauf konzentriert. Selbstdisziplin und Ehrgeiz braucht man ebenfalls, auch wenn die Geschichten in die Rubrik Unterhaltung fallen.“
„Mir ist klar, dass Neugierde zur menschlichen Natur gehört, aber stört es dich nicht, ständig deine Nase in die Privatangelegenheiten anderer zu stecken?“
„Wo ziehst du die Grenze zwischen privat und öffentlich? Durch deine Wohltätigkeitsarbeit bist du zur öffentlichen Person geworden, genau wie durch die Scheidung.“
„Das Beispiel passt gut, denn genau dort ziehe ich die Grenze. Natürlich will ich, dass mein Anliegen, für einen guten Zweck zu sammeln, öffentlich gemacht wird. Aber meine Scheidung?“ Entnervt legte sie eine Hand an die Stirn, dann strich sie sich durchs Haar. „Wen geht es etwas an, was ich bei meinen Besuchen im Schönheitssalon habe machen
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