Sex-Star: Erotischer Roman (German Edition)
dann war es, sich in Schale zu werfen. Sie hatte eine lebenslange Affäre mit ihrem Kleiderschrank begonnen, als sie laut genug sein konnte, ihre Mutter wissen zu lassen, was sie von dem hielt, in was die Mutter sie kleiden wollte. Wenn Claire von Strickwaren oder Hosen bedroht wurde, während sie ihr Lieblingskleid anziehen wollte, dann durfte man darauf wetten, dass die Kleine sich durchsetzte und das Haus in rotem Samt, blauen Schleifen und rosa Rüschchen verließ.
Claire schrieb ihre Weihnachtskarten, während My Fair Lady lief, und blinzelte ab und zu mal hoch zum Fernseher, oder sie nippte an ihrem Bailey's, auf dem sie beharrte, Belohnung für den langweiligen Job, den Tanten in Cheltenham zu schreiben, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. James war mit einem Stylisten zum Einkaufen gegangen, deshalb hatte Claire die Wohnung ein paar Stunden lang für sich allein. Das war schon eine Wonne, aber mit My Fair Lady auf BBC 2 war es pure Glückseligkeit.
Sie liebte Audrey Hepburn, besonders als Eliza Doolittle oder auch als Holly Golightly. Sie liebte Frühstück bei Tiffany, aber My Fair Lady blieb Claires Liebling. Sie konnte Hepburns Transformation vom schmutzigen Blumenmädchen zur Schönheit auf dem Ball nicht oft genug sehen. Es war immer die Szene in Ascot, die sie packte. Hepburn sah aus, als hätte man ihr das exquisite Schwarzweißkleid auf die Haut genäht. Sie war biegsam wie ein Schilfrohr und lächelte so süß, wie man es ihr beigebracht hatte. Man konnte sich nicht vorstellen, dass Eliza in den folgenden Szenen noch schöner aussehen konnte, aber Hepburn enttäuschte nie. Wie sie in der Ballnacht das Treppengeländer hinuntergerutscht war! Sie mit ihren großen Rehaugen und behangen mit Diamanten.
Dieses Vergnügen bescherte Claire ein schlechtes Gewissen. Santosh hatte immer gute, überzeugende Gründe, Frühstück bei Tiffany und My Fair Lady abzulehnen, und so trafen sie sich bei der Rocky Horror Picture Show. Santosh glaubte nicht an Märchen, und wenn man sie noch einmal zwänge, drohte sie, das Happy End eines Bollywood-Films anzuschauen, müsste sie kotzen.
Claire fand es eigenartig, dass die Leute sie für eine Zynikerin hielten, dabei war es Tosh, die als Zynikerin auf die Welt gekommen war.
»Claire, das ist ein solcher Scheiß. Diese Filme waren nie für Mädchen wie mich gemacht. Mädchen wie ich lassen sich nicht von Emotionen wegfegen, sie erhalten akademische Titel und machen ihre Eltern stolz. Nur einmal möchte ich einen Film sehen, in dem ein Mädchen wie ich nicht die Brille abnehmen und den Zopf aufmachen muss, um einen Mann zu bekommen.«
Claire verstand, was Tosh meinte, aber die Welt war voller Aschenbrödel, die zum Ball gehen wollten, und voller Blumenmädchen, die davon träumten, Gräfin zu sein - warum auch nicht? Wenn Claire zu blond war, zu blauäugig und zu großbrüstig, um die Hepburn zu sein, dann könnte sie die Märchenfrau spielen, die ihr sagt: »Du gehst zum Ball.«
Sie war nicht sicher, welche Rolle ihr am besten passte, wenn es darum ging, sich passend für ihre Verabredung mit Graham Mulholland anzuziehen. Der Mann hatte ihr gesagt, dass er sich nicht für feine Wäsche interessierte, aber das war bestimmt eine Lüge. Alle Männer liebten Damenwäsche. Es ärgerte sie, dass er ihre Rolle als agent provocateur ablehnte, ohne sie darin gesehen zu haben.
Was wollte der verdammte Kerl? Wollte er sie in riesigen grauweißen Schlüpfern und einem verwaschenen BH mit drahtgestützten Körbchen?
»Er ist irgendein verwahrloster Hippie«, murmelte Claire vor sich hin und leckte den letzten Umschlag mit der Zunge ab; wahrscheinlich hinterließ sie den Geschmack von Bailey's! Sie summte »Auf der Straße, wo du wohnst«, als sie zur Dusche ging, entschlossen, Dr. Mulholland eines Besseren zu belehren.
Sie fand es ziemlich komisch, dass sie James' Vorlesungen besuchte, während er durch die Boutiquen der Bond Street streifte.
Als sie im College eintraf, gestärkt von mehreren Bailey's und angezogen, um aufzufallen, erkannte sie, dass ein Campus wie jeder andere aussah. Und es roch nach Bücherstaub und Stress. In den Hallen liefen die Studenten herum; ein Mikrokosmos der Gesellschaft. Sie schwankte leicht auf ihren acht Zentimeter hohen Absätzen, als zwei Mädchen in Baseballstiefeln an ihr vorbeizischten. Sie trugen Skater-Jeans mit einer Kette auf der Rückseite. Ihre Gesichter zeigten keine Spuren von Make-up, und sie warfen ihre gepflegten
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