Sexbewusstsein - So finden Sie erotische Erfuellung
mir vorlebten, dass man sich auch dann «vollwertig» fühlen darf, wenn sexuell nicht alles wunschgemäß läuft. Und durch Menschen, die damit anders umgehen, wie der Brief einer meiner Leserinnen illustriert:
«Mein Mann ist 48, gesund, ein rundum toller Mann, und was ich an ihm am schönsten finde, ist seine innere Ruhe und Gelassenheit, aber er ist dabei keineswegs apathisch oder gleichgültig, sondern voller Interesse und Wärme.
In den ersten drei Monaten unserer Beziehung hatte er eine massive Erektionsstörung. Und zwar so massiv, da regte sich gar nichts. Wir hatten Sex, reichlich, mit allen anderen geeigneten Körperteilen, wir hatten Lust aufeinander, alles vorhanden, bis auf seine Erektion. Drei Monate lang! Doch das hat weder ihn noch mich nervös gemacht oder ihn z.B. dazu gebracht, an sich zu zweifeln oder Ängste zu entwickeln, und auch ich entwickelte nichts dergleichen. Genau deswegen hat es sich bald gelegt und kommt heute nur noch selten vor.»
Etliche Frauen würden in so einer Situation befürchten, dass der Mann auf einen anderen Frauentyp steht oder dass sie im Bett etwas falsch machen. Etliche Männer würden sich mit dem Gedanken quälen: «Ich kann sie nicht befriedigen, sie betrachtet mich als einen Loser, sie schaut jetzt auf mich herab, ich bin ja auch ein Loser und nicht mehr so viel wert wie vorher.»
Udo beharrt darauf: Verstört habe ihn einzig und allein Elkes brutale Demonstration.
Meine Hausaufgabe an ihn lautet: «Wie könnte man Elkes Aktion gefühlsmäßig anders einordnen?»
Dass das durchaus möglich ist, deutet seine Antwort an: «Ist ja eigentlich gut zu sehen, wie es bei ihr klappt, und den Vibrator vielleicht anzuwenden, während ich in ihr bin – sagt der Verstand … der Pillermann meint aber etwas anderes.»
Der Pillermann spricht in diesem Fall für etwas, das tief in Udo drin ist – unter anderem das Gefühl, ausgeschlossen zu sein: Die Frau erklimmt den letzten Gipfel ihrer Lust nicht nur mit Hilfe eines Geräts anstatt mit ihm, sondern auch noch auf eine Art, die ihm fremd ist und die nichts damit gemein hat, wie er vorgehen würde. Gerade in dem Bereich, in dem er sich normalerweise der Frau nah und für sie wichtig fühlt, ist er nun ausgeschlossen. Das geht so tief und ist so schmerzhaft für ihn, dass er ernsthaft an Trennung denkt.
Wenn etwas in Sachen Sex Sie verstört, lautet eine wichtige Frage: Welche Ängste stehen mit dem ganzen Geschehen wie auch mit einzelnen Teilen der Problematik im Zusammenhang?
So z.B.:
«Ab jetzt werde ich …», «Ab jetzt könnte es passieren, dass …»
«Wenn das so weitergeht, dann …»
«Mein Partner hat mir gezeigt, dass … und daher …»
Dann überlegen Sie sich mindestens vier andere Deutungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten und wie man reagieren könnte.
Auch die Botschaften des Körpers helfen Ihnen weiter. Ein rebellisches Sexorgan will seinem «Herrchen/Frauchen» meist etwas mitteilen. Hierzu lautet eine der Schlüsselfragen:
Hat die Störung (in Udos Fall die ausbleibende Erektion) irgendeinen Nutzen? Dazu zählen auch verborgene und/oder indirekte Vorteile, die sich nicht gleich entschlüsseln lassen.
Udo fällt dazu nichts ein: «Was könnte daran schon ein Vorteil oder Nutzen sein?»
«Na, es wäre zum Beispiel ein Weg, die Frau zu bestrafen: für ihre Gedankenlosigkeit und dafür, dass sie Ihnen klargemacht hat, dass sie Sie zu ihrer Befriedigung nicht braucht. Und um sich selbst vor einer weiteren Konfrontation mit der eigenen ‹Nutzlosigkeit› zu bewahren.»
Eine weitere wichtige Frage:
«Welche Funktion hat Sex in unserer Beziehung?»
Bei Udo und Elke war er der Klebstoff der Beziehung – und stand so sehr im Vordergrund, dass einiges in den Hintergrund geriet: Eigentlich passten die beiden nicht besonders gut zusammen. In seiner vorigen Beziehung war das ganz ähnlich gewesen.
Was mir an Udo vor allem auffiel, war, dass er ständig die Führung übernehmen und alles steuern wollte (selbst in der Arbeit mit mir). Er zieht sehr viel Selbstwert daraus, dass er es ist, der der Frau hilft, oft nach dem Motto «Ich weiß, was gut für dich ist», und den sie «braucht». Sprich: Er neigt dazu, sich zu sehr zu kümmern – wodurch er die Autonomie und Selbstbestimmung seiner Frauen überschreitet. So jemand wird oft als übergriffig empfunden. Das löst auf Frauenseite (bewusste oder unbewusste) Gegenreaktionen und Widerstände aus, etwa, indem Elke ihm ihre Autonomie resolut
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