Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
schwer. Er erhielt 1944 nachträglich das »Verwundetenabzeichen in schwarz« für eine Verletzung vom November 1941. Dieses Abzeichen war die niedrigste Auszeichnung bei Verletzungen. Sie wurde für ein- bis zweimalige Verwundungen »kistenweise an die Fronten, aber auch an die Krankenhäuser und diverse Sanitätseinrichtungen« geliefert. Oft wurde sie daher auch ohne jede Zeremonie, beispielsweise im Krankenhaus von Chefärzten, an die Verletzten übergeben. Erfrierungen galten dabei als Verletzung, Unfälle oder Krankheiten nicht.
Das Ende des Krieges in der Region, in der Otto Prokop strandete. Ein deutscher Soldat zerschlägt sein Gewehr. Milspe (bei Hagen im Ruhrgebiet), 14. April 1945.
1942 hatte Prokop seinen vorletzten Fronteinsatz. Ende des Jahres wurde er beurlaubt, um sein Studium in Bonn fortzusetzen. So legte Prokop mitten im Krieg sein Physikum, die ärztliche Vorprüfung, ab. 1944 wurde er wieder an die Front geschickt und dort ein zweites Mal verwundet.
Die Rheinlager
Während des Rückzuges im Jahr 1945 landete der 23-jährige Prokop im Zuge des letzten Gefechts um den »Ruhrkessel« in US-amerikanischer Gefangenschaft. Er hatte dabei Glück im Unglück. Zwar wurde er auf den Rheinwiesen bei Remagen in eines der völlig überfüllten Lager gebracht. Es gab praktisch keine Zelte, geschweige denn sonstige Unterkünfte. Viele der Soldaten buddelten sich daher Gruben und Stollen in die Wiese, wo sie sich vor Wind, Wetter und den Blicken der Nachbarn zu schützen versuchten. Dennoch war die Anzahl der Toten im Vergleich zu anderen Gefangenenlagern – auch solchen, die die Deutschen zuvor eingerichtet hatten – deutlich niedriger. Es gab eine Überlebenschance, auch wenn die Lebensbedingungen mehr als unangenehm waren.
Die Überfüllung der Rheinlager und die damit verbundene organisatorische Überforderung entstand vor allem, weil bei einer der drei letzten großen Schlachten des Krieges in Europa – in anderen Regionen wie Südostasien dauerte er noch länger an – unerwartet viele Kriegsgefangene anfielen; das war besagter »Ruhrkessel«: Im April 1945 umzingelten US-Truppen von Norden und Süden kommend ein gewaltiges Gebiet zwischen Duisburg und Hamm. Es entstand ein Kessel, ein Ring um alle Deutschen im Ruhrgebiet.
Die Rheinwiesenlager bei Remagen. Hier waren ab Mitte 1945 bis zu einer Viertelmillion deutscher Soldaten gefangen, darunter auch Otto Prokop.
Neben Millionen von Zivilisten saßen damit auch etwa 300 000 deutsche Soldaten fest. Es waren Wehrmachtssoldaten und Offiziere der 15. Armee sowie der 5. Panzerarmee, zu der Prokop demnach gehört haben muss.
Viele der deutschen Einheiten kämpften bis zuletzt. Um nicht »schmachvoll« offiziell kapitulieren zu müssen, wurden die deutschen Soldaten teils schriftlich von ihren Offizieren aus dem Dienst »entlassen«. Damit waren sie bei ihrer Gefangennahme technisch gesehen unbesiegte Soldaten – und vor allem Zivilisten.
Vor der Einkesselung des zu diesem Zeitpunkt schon zerstörten Ruhrgebietes hatte die Gestapo (Geheime Staatspolizei; Kriminal- und politische Polizei der Nazis) in letzter Minute hunderte Zwangsarbeiter, Regimegegner und Strafgefangene umgebracht. Diese »Kriegsendphasenverbrechen« waren Soldaten der Wehrmacht wie Prokop nicht bekannt, zeigen aber den Fanatismus, der in Teilen der kämpfenden Einheiten und bei der Polizei noch herrschte.
Abgesehen von der technischen Lagerführung fürchteten die Amerikaner aber noch etwas: Erstens, dass ehemalige SS-Angehörige in der Masse abtauchten könnten; und zweitens, dass es nun Guerilla-Aktionen der Deutschen geben könnte.
Die Angst entstand, weil SS-Chef Heinrich Himmler (1900–1945) gedroht hatte, eine Untergrund-Bewegung namens »Werwolf« loszulassen, die er im September 1944 gegründet hatte. Wehrmachtssoldaten waren an dieser Aktion aber nicht interessiert . Ende 1944 hatte die Werwolf-Truppe gerade mal 5000 Mitglieder. Dies hätte für harte Aktionen aber genügt, denn die »Werwölfe« waren ausdrücklich im Partisanenkampf und damit auch für Sabotage und Attentate ausgebildet. Es bedurfte also nur kleiner Werwolf-Einheiten, um großen Schaden zu bewirken.
Am 1. April 1945 meldete der deutsche Rundfunk, dass die Werwolf-Untergrundbewegung »in den besetzten Gebieten des Reiches« nun aktiv werden würde: »Hass ist unser Gebet, und Rache ist unser Feldgeschrei!« Obwohl es in Wahrheit keine nennenswerten »Werwolf«-Einsätze gegeben hat, schwärmte
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