Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
Bonn fort und veröffentlichte schon bald erste Forschungsarbeiten.
Am 17. Juli 1948 bestand er die medizinische Abschlussprüfung mit »sehr gut«. Nur in den Fächern Augenheilkunde und Hals-Nase-Ohren schnitt er mit »gut« ab. Das brachte ihn davon ab, Augenarzt zu werden, da er sich über die für seinen Anspruch zu schlechte Note in diesem Fach ärgerte. Die Prüfungen waren umfangreich und umfassten die Fächer Pathologische Anatomie, Pharmakologie, Innere Medizin, Kinderheilkunde, Chirurgie, Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Augenheilkunde, Ohren-, Hals- und Nasenkrankheiten, Haut- und Geschlechtskrankheiten, »Irrenheilkunde« und Neurologie, Gerichtliche Medizin und Hygiene. Prüfer im Fach Rechtsmedizin war sein Chef, der damals schon ältere Gerichtsmediziner Herbert Elbel.
Elbel war wie Prokop in Österreich geboren und meldete seinen frisch geprüften Zögling noch im Prüfungsmonat offiziell und schriftlich bei der Universität als »Schüler« an. Daraufhin wurde Prokop vom 1. August 1948 bis zum 31. August 1949 Volontärsassistent im Institut für Pathologie unter Professor Ceelen. Das lag vielleicht daran, dass in der Rechtsmedizin keine Stelle verfügbar war. Elbel schickte seine Schüler aber grundsätzlich einige Zeit »in die Pathologie«. In diesem Fach lernt man, Krankheiten anhand von Gewebeveränderungen zu erkennen, beispielsweise Krebs oder Entzündungen. Zum Ende des Jahres erhielt Prokop dann eine freigewordene Assistenzstelle im Bonner Institut für Rechtsmedizin.
Er wohnte damals in der Trierer Straße 20 (oder 24) in Bonn, in der von ihm auch in späteren Jahren bevorzugten Gegend rund um den Botanischen Garten. Sein Einkommen war mit 323,68 D-Mark mager, und Nebeneinnahmen durch Gutachten hatte er nicht. Doch es ging voran. Am 7. Januar 1949 wurde Prokop der medizinische Doktortitel zuerkannt und ab dem 31. Januar 1951 durfte er als vollwertiger Arzt arbeiten.
Herbert Elbel (1907–1986)
Otto Prokops Lehrer Elbel studierte bis 1931 in Innsbruck Medizin. Im selben Jahr wurde er Assistent am dortigen Institut für experimentelle Pathologie. Da er verbotenerweise Nationalsozialist war – unter anderem hatte er 1927 den Innsbrucker NS -Studentenbund mitgegründet –, wurde er aber wieder entlassen.
Ab 1934 arbeitete Elbel am Göttinger Institut für Rechtsmedizin. 1937 wurde er wahrscheinlich in die SS aufgenommen und ging im selben Jahr nach Heidelberg, wo er ab 1941 die Lehrstuhlvertretung für das Fach Rechtsmedizin übernahm. Von Ende 1939 bis Mitte 1943 war er eingezogen und arbeitete als Arzt beim Heer.
Ende 1944 kam Elbel auf Betreiben des bekannten Rechtsmediziners und harten Nazis Friedrich Pietrusky an das kleine Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn, dessen Leiter er 1946 wurde.
Sowohl seine NSDAP -Parteimitgliedschaft (er hatte die Nummer 900575) als auch seine SS -Zugehörigkeit stritt Elbel zeitlebens ab: Er habe sich zwar um beides beworben, die Sachen seien aber »eingeschlafen« beziehungsweise »nicht bestätigt« worden.
Der Spiegel schrieb 1958 über Elbel, er sei ein »namhafter Gutachter in Verkehrsstrafsachen, die auf Alkoholgenuss zurückzuführen sind«, was auch Prokops kurze Beschäftigung mit diesem Thema erklärt.
1971 wurde Elbel mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik ausgezeichnet.
Otto Prokops erste wissenschaftliche Arbeit nach seiner Dissertation hieß »Vakuolige Degeneration des Herzens bei der Methylalkoholvergiftung« (1950). Sie ist klassisch rechtsmedizinisch und erschien in der angesehenen Deutschen Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin .
In einer weiteren Veröffentlichung aus dem Jahr 1951 beschrieb Prokop die Leiche einer fünfzigjährigen Bäuerin, die zwei Tage nach ihrem Verschwinden bäuchlings in einer Jauchegrube liegend gefunden wurde. Man hatte ursprünglich angenommen, dass es sich um einen Suizid handelte, da die Frau alleine lebte und »in den vorangehenden Tagen eine leichte psychische Verwirrtheit bei depressiver Stimmungslage« zeigte.
Den beiden Obduzenten Otto Prokop und Franz Schleyer fiel nun auf, dass die Frau neben »mäßiger allgemeiner Fettsucht, mäßiger Waschhaut an den Händen, reichlich weißlichem Schaum in der Trachea [Luftröhre], wenig dünnflüssigem Schleim in den Bronchien und einer großen Menge grünlicher, stark jauchig riechender Flüssigkeit im Magen« auch eine geschwollene und verfestigte Bauchspeicheldrüse hatte. Als die beiden
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