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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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schaltete es stets aus, wenn ich in sein Verhörzimmer kam, und so saßen wir an dämmerigen Januarnachmittagen oft im Halbdunkel oder beim rötlichen Schein einer Stehlampe.
    Er war kein schlechter Psychologe, gut geschult und von seinen Vorgesetzten, die alles über mich wussten, mit Akribie für mich ausgesucht. Als er aber einmal als Hintergrundmusik ausgerechnet ein Stück von Mendelssohn Bartholdy spielte, das ich am liebsten hörte, musste ich mir ein höhnisches Lächeln verbeißen. Damit war er zu weit gegangen.«
    Wer sich bei den Untersuchern nicht erklären konnte, erpressen ließ oder sonstwie auffällig blieb, konnte in die sehr unangenehme »Stasi-Haft« kommen. Manfred Krafft, der die Bedingungen dort erlebt hat, berichtet: »Mit bis zu drei Häftlingen in einer engen Zelle auf Holzpritschen musste man schlafen. Und dann war ein Toilettenkübel drin untergebracht. Sechs bis zehn Mal in der Stunde, manchmal weniger, manchmal öfter, wurde das Licht geknipst nachts. Die Lampe schien einem immer ins Gesicht, so dass man immer gestört wurde. Es war eben … wie die Hölle hat sich das angefühlt.«
    Es drohten aber außer der Haft viele weitere Unterdrückungsmaßnahmen. Besonders tückisch waren Berufsbehinderungen und -verbote. »Berufsverbote galten in der DDR als [gesellschaftliches] Tabu, und es war weitgehend unbekannt, wie verbreitet sie waren«, erinnert sich Vera Wollenberger. »Meist handelte es sich um eine abgemilderte Form wie bei meinem Freund Thomas, der nach seiner Haftentlassung nicht mehr als Mathematiker an der Akademie der Wissenschaften arbeiten durfte, sondern für eine Möbelfirma am Computer Lohntabellen ausfüllen musste.
    Es kam relativ häufig vor, dass aufmüpfigen Akademikern die wissenschaftliche Laufbahn abgeschnitten wurde. Diese Menschen haben seither denkbar schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Es interessiert kaum, aus welchen Gründen jemand nicht in der Lage war, seinen Beruf auszuüben. Wer schon vor der Wende wegen eines Berufsverbotes am Existenzminimum lebte, bezieht heute Sozialhilfe.«
    Es sind aber nicht nur diese zwar eindrücklichen, aber doch äußeren Abläufe, die bei den vom MfS aus gesellschaftlichen Gründen »untersuchten« Menschen Spuren hinterließen. Die Nachwirkungen der andauernden geistigen und körperlichen Einengung zeigen sich bis heute oft genug auch seelisch. Ich habe mehrere Personen getroffen, die immer noch komplett durch den Wind sind, wenn sie sich an die gegen sie ausgeübten Unterdrückungsmaßnahmen der Stasi erinnern. Sie haben dann Erinnerungsaussetzer, Rededrang und erkennbar Angst, was auf eine deutliche Traumatisierung hinweist – ganz ähnlich den Überlebenden anderer Formen von Missbrauch und Einengung.
    Die Schere zwischen dem, was die durchschnittlichen Stasi-Mitarbeiter im Namen des Friedens zu tun glaubten, und dem, was sie bewirkten, klafft hier – bei den seelischen Verletzungen der Verfolgten – am krassesten auseinander.
    Wollenbergers Ehemann, der sie ausspionierte, berichtete seinen Vorgesetzten kurz nach der Verurteilung seiner Frau beispielsweise, dass er sie »in diesem Augenblick« im Gerichtssaal »besonders schön« gefunden habe. Ein derart verdrehtes Denken, bei dem die Einzelteile überhaupt nicht mehr zusammenpassen, fand sich auch bei Professor Prokop, wenn er beispielsweise bei den Novemberpogromen der Nazis fotografierte, aber mit den Juden dennoch Mitleid hatte. Ähnliches gilt auch bei der Trennung seiner Arbeit als Rechtsmediziner von dem, was das MfS hinterher aus seinen – inhaltlich korrekten und unpolitischen – Berichten machte. Natürlich wusste und erlebte Prokop, dass ein wahrer Bericht nicht dessen unwahre Auslegung rechtfertigen kann.

Überzeugung und Überwachung
    Viele Informanten und Mitarbeiter der Stasi waren Mitläufer, wie es sie zu allen Zeiten und überall auf der Welt gibt. Bis heute sorgen sich die meisten von ihnen um ihre Altersbezüge. Eine dicke Schicht der MfS-Mitarbeiter handelte aber zusätzlich aus Überzeugung. Und es schien auch wirklich um eine gute Sache zu gehen: um ein besseres Lebensmodell. Der Sozialismus sollte die Menschen gleicher und freier machen. Die Einkommen sollten fair verteilt und die Grundversorgung gesichert sein. Das wurde aufrichtig versucht.
    Dass solche sozialen Träume nicht von heute auf morgen klappten, und dass man Störende während eines laufenden Experiments – dem »real existierenden«, also nicht vollkommenen Sozialismus –

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