Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
und Blutgruppenspezialist Bolesław Popielski (1907–1997), der mit Prokop den Fall der erschossenen Offiziere und Funktionsträger von Katyn untersuchte , und wenige japanische Kollegen blieben am Ende seines Lebens als Auslandskontakte übrig.
Ausgrabung des Massengrabes von Katyn im Jahr 1943, nachdem es von deutschen Wehrmachtssoldaten entdeckt worden war.
Es ließ Prokop bis zuletzt keine Ruhe: Das Massaker von Katyn, begangen von sowjetischen Truppen.
Katyn
Von April bis Mai 1940 ermordeten Mitarbeiter des russischen Innenministeriums in der Nähe des Dorfes Katyn über 4000 polnische Offiziere. Das war Teil einer Tötungsserie, bei der insgesamt etwa 25000 polnische Funktionsträger erschossen wurden – nach den Worten des berühmten polnischen Generals Tadeusz Komorowski (1895–1966) »die Elite der Nation«.
Die Tragödie begann, als die Sowjets zwischen Februar 1940 und Juni 1941 über 300 000 Polen, vorwiegend Richter, Polizisten, Beamte, Lehrer, Anwälte und Offiziere, in sowjetische Gebiete deportierten. Im März 1940 hatte Geheimdienstchef Lawrenti Beria mitgeteilt, dass es sich bei den Inhaftierten um »eingeschworene Feinde der Sowjetmacht, hasserfüllt gegenüber der sowjetischen Ordnung« handele, die zu erschießen seien, »ohne die Inhaftierten vorzuladen, ohne Anklage zu erheben.«
Im Februar 1943 entdeckten deutsche Wehrmachtssoldaten die Massengräber mit den polnischen Leichen. Obwohl deutsche Projektile aus den Genschow-Werken in Durlach für die Hinrichtungen verwendet worden waren, wussten die Deutschen, dass sie dieses eine Mal nicht die Bösen waren. Die Projektile waren irgendwann zwischen 1922 und 1939 nach Russland verkauft worden. Propagandaminister Joseph Goebbels walzte das Massaker der Sowjets gegen die Polen wochenlang aus.
Von sowjetischer Seite stritt man bis 1990 die Verantwortung an den Tötungen ab und lastete sie den Deutschen an. Niemand im Ostblock widersprach der falschen Deutung öffentlich, auch Otto Prokop nicht. Er wusste es aufgrund der Freundschaft zu einem der Gutachter aus dem Jahr 1943 – Antonow Markow aus Bulgarien – allerdings besser. Denn es war schon damals klar, dass die Sowjets die Täter waren.
Dass die Deutschen überhaupt als Mörder infrage kamen, lag unter anderem daran, dass sie im Krieg massive Propaganda gegen die Polen lancierten, beispielsweise durch das damals recht bekannte, vor Leichenfotos und Gewaltschilderungen überquellende Buch »Die polnischen Gräueltaten an den Volksdeutschen in Polen«.
Die Sowjets hatten aber trotzdem Schwierigkeiten, die Taten den Deutschen anzulasten. Man behauptete daher, die Polen seien zwar von den Sowjets gefangen genommen worden. Bei »Bauarbeiten« seien sie aber den anrückenden deutschen Truppen in die Hände gefallen und dabei erschossen worden.
Auch die polnische Regierung wagte nicht, die Wahrheit kundzutun. Schließlich kämpfte man zusammen mit den Sowjets gegen die Deutschen.
Dennoch berichtete der britische Botschafter der polnischen Exilregierung, Owen O’Malley, schon im Mai 1943 intern über die Taten in Katyn. »Setzte sich ein Mann zur Wehr«, so O’Malley, »wurde ihm anscheinend sein Mantel vom Henker über den Kopf gestülpt und um den Hals zusammengebunden, so dass er mit verhülltem Gesicht an den Rand der Grube geführt wurde. Der Mantel war an der Stelle, wo er die Schädelbasis bedeckte, von einer Kugel durchlöchert.
Jenen hingegen, die gefasst in den Tod gingen, muss sich der ungeheuerlichste Anblick geboten haben. In der breiten Grube lagen ihre Kameraden, rund um den Innenrand zusammengepresst, Kopf bei Fuß, wie Sardinen in einer Büchse. Auf den Körpern trampelten die Henkersknechte herum, zerrten andere Leichen herunter und stapften im Blut wie Metzger auf einem Schlachthof.
Als alles vorüber war, der letzte Schuss gefallen und das letzte polnische Haupt punktiert, da wandten sich die Schlächter der unschuldigsten Beschäftigung zu – vielleicht waren sie in ihrer Jugend in der Landwirtschaft ausgebildet worden –, jedenfalls glätteten sie die Erdklumpen und bepflanzten das Schlachthaus mit kleinen Koniferen.«
Bei den Nürnberger Prozessen (1945–1949) wurden die Delikte aus Katyn auf Betreiben der Sowjetunion anfangs noch den Deutschen angelastet, in den Urteilen dann aber nicht mehr erwähnt. 1952 ermittelte ein Untersuchungsausschuss endgültig, dass die Taten von Russen begangen worden sein mussten. Doch erst fast vierzig Jahre später, 1990,
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