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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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nicht brauchen konnte, leuchtet ein. Solange es Menschen gibt, werden sie überzeugt sein, auf der Seite des Guten und Richtigen zu stehen. Notfalls biegen sie sich dafür auch die beobachtbare Wirklichkeit zurecht und verbeißen ihre Gegner. Beim Sozialismus schien es sich um eine besonders gute und verteidigenswerte Idee zu handeln. Dass dies in einen undemokratischen Zustand umschlug, der nicht mehr durch höhere Ziele zu rechtfertigen war, verdrängte man.
    Deshalb glaubten viele MfS-Mitarbeiter auch, dass die Bevölkerung ihre Arbeit begrüßte. Ein Beispiel dafür findet sich in einem Protokoll der Vereinigung von ehemaligen MfS-Mitarbeitern IK-KORR (Insiderkomitee zur Förderung der kritischen Aneignung der Geschichte des MfS). Zehn Jahre nach dem Mauerfall staunten ehemalige Stasi-Mitarbeiter darin aufrichtig darüber, dass ihr Wirken in der Bevölkerung oft Misstrauen und Angst auslöste .
    Auch Prokop wurde vielschichtig von der Stasi überwacht. Sein Fahrer – das war in seinem Umfeld jedem klar und bekannt – berichtete regelmäßig an die Stasi, und mehrere von Prokops Mitarbeitern taten das Gleiche. Es gab aber auch andere Quellen, die Prokop ausforschten. So meldete beispielsweise der »Verlag der Nation«, der Prokop um ein Buch über sein Leben gebeten hatte, an das MfS:
    »Am 5. Dezember 1988 sprach ich mit Herrn Professor Dr. Otto Prokop über seine Autobiografie. Er habe sich entschlossen, seine Biografie nicht selbst zu schreiben. Er habe Herrn Helmut Schlegel dafür gewonnen. Über den Herrn gab er trotz mehrmaliger Nachfrage keine weitere Auskunft, als dass er nicht am Institut für gerichtliche Medizin arbeite und ihn seit dreißig Jahren bei Auslandsreisen begleite.
    Das von Professor Prokop zuerst vorgelegte Manuskript war rein fachlicher Natur und entsprach so weder dem Profil unseres Verlages noch der mit dem Verfasser getroffenen Übereinkunft, bestimmte Abschnitte seines Lebens autobiografisch darzustellen.«
    Der Verlag lehnte das erste Manuskript Prokops damals also ab, unter anderem auch deshalb, weil er sich darin »mit der katholischen Kirche – insbesondere mit bestimmten Positionen während der Zeit des Faschismus in Deutschland – in einer so scharfen Weise auseinandersetzt, wie sie uns vor allem in der gegenwärtigen Situation nicht dienlich ist«. Auch Prokops harsche Mitteilungen zu seinem » NS -Stiefvater« und zu abergläubischen Einstellungen missfielen dem ostdeutschen Lektorat.
    Dass es Prokop mit dem Verlag (und umgekehrt) zu anstrengend wurde, hätte sich aber auch ohne Stasi-Ausforschung feststellen lassen. Prokop meldete im Februar 1984 ganz offen, dass ihn »die vielen Änderungswünsche – selbst Gymnasialarbeiten von mir gingen besser durch – entmutigten, an der Sache weiter zu arbeiten. Es ist eben so, dass ich weder ein gefälliges, der Tagespolitik verhaftetes Buch mit doktrinärem Charakter möchte noch eines, das einen fremden Stil trägt.
    Es ist natürlich das Recht eines Verlages, ein Buch zurückzuweisen – aber ich sagte ja schon vielfach, dass ich es selbst nicht für wichtig erachte und meine antiklerikalen und Anti-NS-Äußerungen als Lebenserfahrung auch nach meinem Tod herauskommen können. Die rein fachlichen Dinge sind aus meinen Büchern ja bekannt.
    Deshalb bitte ich den Verlag, mit dem ich ja noch keinen Vertrag habe, um eine gewisse Good-Will-Erklärung, denn letztlich muss ich doch damit rechnen, dass das Buch im Ministerium oder einer Kulturkammer durchfällt und viel investierte Zeit verloren ist.«

    Der »Ärger völlig unsinniger Sitzungen« hat ihn nicht »invalidisiert« – Otto Prokops Brief auf die Anfrage, ob er nicht seine Lebenserinnerungen schreiben wolle. Man wurde sich trotzdem nicht einig, da Prokop zunächst nur wissenschaftliche Inhalte liefern wollte, seine später gelieferten privaten Informationen dem Verlag dann aber auch nicht gefielen.
    Der lavierend freundliche Ton Prokops kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er gewaltig genervt war. Das war kein Wunder, denn der »Verlag der Nation« wollte das Buch tatsächlich zu Propagandazwecken verwenden. »Am 25. Oktober 1982 fand im Haus des ZK [Zentralkomitee] der SED eine Aussprache zum Manuskript von Professor Dr. Otto Prokop statt«, steht dazu in den Akten. Zwei »Genossen« waren »bereit, den Verlag bei der Arbeit am Manuskript zu beraten. Sie können jedoch nicht gegenüber Prokop in Erscheinung treten.« Das MfS steckte seine geheimdienstlichen Fühler

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