Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
Prokop Mitte der 80er Jahre in einem Artikel mit seinen Kollegen Günther Dotzauer und Wolfgang Mattig, »parawissenschaftliche, insbesondere paramedizinische Praktiken und Argumente immer wieder bloßzustellen und zu attackieren. Das Fach hat Besseres zu tun. Manchmal ist es indes nötig – insbesondere dann, wenn zweifelhafte Gutachter in Strafverfahren falsche und für den Laien suggestive Argumente vortragen, die, ad hoc vorgebracht, unvertraute Sachverständige in Verlegenheit bringen.
So wurde zum Beispiel durch Vertreter unseres Faches exemplarisch demonstriert, wie unsolide von Außenseitern mit dem Zahlenargument operiert wird (Gigantomanie). Der Frischzellentherapeut Block argumentiert – statt mit sachlichen Antworten auf die gegen die Methode vorgetragenen Einwände – mit 45 000 Patienten, weshalb ihn der Papst nach Castel Gandolfo eingeladen habe.«
Mit seinen klaren Mitteilungen war Prokop seiner Zeit manchmal um Jahrzehnte voraus. So veröffentlichte die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften ( GWUP ) 2013 erstmals die Forderung an Krankenkassen, Ärzten die Zuwendung und Aufmerksamkeit zu ihren Patienten gesondert zu bezahlen, damit dies nicht nur von »alternativen« Heilern abgerechnet wird. Es ist mittlerweile durch Dutzende guter Studien belegt, dass Zuwendung das wesentliche Wirkprinzip von »alternativen«, aber auch »schulmedizinischen« Heilmethoden – beispielsweise bei Allergien, Kopf- und Rückenschmerz – ist.
Besonders gefreut haben dürfte Prokop im Jahr 1981 der Staatspreis für seine »Forschungsergebnisse zur naturwissenschaftlichen Fundierung der Medizin«. Die Abwehr von Aberglauben wollte man dabei staatlicherseits nicht in den Vordergrund rücken. Aber die von Prokop mitgetragene, heute sogenannte evidenzbasierte Medizin ist auch das Ergebnis des weltweiten Kampfes gegen Scharlatanerien jeder Art und dient damit der »Fundierung der Medizin«.
Das eigentliche Thema von Otto Prokops beruflichem Leben: Der Kampf gegen Scharlatane, Wünschelrutengänger, unwirksame Medizin und Aberglauben.
Andere Professoren hatten es schwerer als Prokop, ihre Meinungen und Nachforschungen zu Hokuspokus, Aberglaube, Homöopathie und erfundenen medizinischen Verfahren zu veröffentlichen. Der Jurist Herbert Schäfer brachte beispielsweise ein solides Buch gegen Spuk und Poltergeister-Glauben im Selbstverlag heraus und konnte nicht wie Prokop und Kollegen auf Kontakte zu angesehenen Verlagen zurückgreifen. Schäfers Bemühungen liefen unter dem Strich ins Leere.
Ein weiterer Grund für Prokops skeptische, streng naturwissenschaftliche Haltung war, dass die Nazis, vor allem SS-Chef Heinrich Himmler, einer klebrigen alternativmedizinisch-spirituellen Anschauung anhingen und diese auch gefördert haben. »In einer tödlichen Mixtur aus Macht, Furcht, Grausamkeit und Dilettantismus«, schreibt John Cornwell, »konnte die Pseudowissenschaft so in Hitlers Deutschland unter der SS nahezu ungebremst gedeihen.
Himmler, dem Kriterien zur Beurteilung selbst der elementarsten Grundlagen wissenschaftlicher Forschung fehlten, schaltete sich in alle möglichen Forschungsgebiete ein, von scheinwissenschaftlichen Projekten über die Wurzeln der Arier in der Anfangszeit des Regimes bis hin schließlich zur mörderischen ›medizinischen Forschung‹ in den Konzentrationslagern. Als Junge pflegte er einen Kräutergarten, ein Vorgeschmack auf seine Besessenheit von der alternativen Medizin und homöopathischen Erzeugnissen. Er befasste sich mit einem Mischmasch aus Genetik, Geopolitik, Philologie, Anthropologie, Mythologie und Okkultismus.«
Dass Prokop spätestens im Krieg einerseits mit den Folgen dieser Nonsens-Wissenschaften in Berührung kam, andererseits aber auch lernte, dass die Seele sehr wohl einen Einfluss auf die Heilung hat, hat er mir selbst berichtet. Diese Beobachtungen müssen seine Neugier gewaltig angestachelt haben. Dafür spricht auch ein Vorwort, das der Nobelpreisträger Werner Forßmann (1904–1979) in einem Buch gegen Akupunktur, herausgegeben von Prokop und seinem Kölner Kollegen Günther Dotzauer, schrieb.
Forßmann hatte im Krieg als Chirurg gearbeitet, war nach Aussage seiner Verwandten ein strammer Nazi sowie mit Herz und Seele Chirurg gewesen – auch wenn er später ins urologische Fach wechselte. Zudem war er ein moderner, guter ärztlicher Forscher. »Einige Male bin ich von Assistenten gefragt worden, wie ich mich verhalten würde,
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