Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
nach verrutschte und so die eigentümliche, scheinbare Strangmarke am Hals entstanden war.
Um dies auch zu beweisen, legte Prokop Leichen auf kantige Gegenstände, drehte sie später und ließ sie – wie es bei der Lagerung der Leiche von Magdalena Gierth vor und nach der Sektion geschehen war – trocknen. Tatsächlich entstanden dabei Vertrocknungen am Hals, die wie die an der Leiche aussahen. Prokop hatte zuvor schon mit Georg Radam Versuche zur Vertrocknung zusammengeschobener Haut gemacht und ähnliche Ergebnisse erzielt.
»Jeder Fall liegt anders«, so formulierte Prokop seine Leitlinie, die er auch hier anwendete. »Dies umso mehr, als die Wert- und Bewertungsskalen ungemeinen aktuellen Schwankungen unterworfen sind. Deshalb ist es gut, ärztliche Fragen auf einfache humanistische Erwägungen zurückzuführen – ohne zu sehr zu moralisieren. Denn das steht uns nicht« – so schrieb er es seinem Freund Gerd Uhlenbruck.
Die bisherige Anklage brach nun zusammen. Auch andere Sachverständige, beispielsweise der Leiter des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich, Max Frei-Sulzer, sagten aus, dass die ursprünglich »untersuchten Fotografien keine genügende Grundlage darstellen, um das Vorhandensein eines Abdruckes eines Stricks zu postulieren«.
Das sah Albert Ponsold anders. Er blieb dabei, dass die kleinen Ader-Aufplatzungen und Stauungsblutungen im Gesicht, am Trommelfell und im Rachen der Leiche keine verkappten Totenflecke waren. Das stimmte auch, denn diese typischen Zeichen für eine Drosselung fanden sich nicht dort, wo Totenflecke zu sehen waren.
Zweitens seien die ebenfalls für Drosselungen typischen Einblutungen in den Bindehäuten der Augen von den ersten Obduzenten einfach übersehen worden. Das konnte ebenfalls gut sein, denn dass die Erst-Obduktion mangelhaft war, stritt niemand ab. Dafür konnte Ponsold aber nichts.
Drittens weise die Vertrocknung am Hals einfach deshalb Unterbrechungen auf, weil dort Kleidung oder »die den Strick in der Abwehr umgreifenden Finger« der sterbenden Person gelegen hätten. Diese Angabe ist eher schwach, denn in der Tat war die Vertrocknung am Hals so kurz, dass die Unterbrechung länger als die Drosselmarke war. Dennoch kann man mit Druck an den richtigen Stellen auch mit einer unvollständigen Umschnürung des Halses einen Menschen töten.
»In einer gegen mich gerichteten Pressekampagne«, schrieb Ponsold in seinen Lebenserinnerungen, »bemühte sich am meisten ein bekannter Kriminalschriftsteller, mir ein Fehlgutachten nachzuweisen [gemeint ist vermutlich der Spiegel -Reporter Gerhard Mauz (1925–2003) ]. ›In Würdigung seiner hervorragenden Dienste gegen den Rechtsmissbrauch in der Strafrechtspraxis der westdeutschen Bundesrepublik‹ wurde er sogar Ehrendoktor einer Universität der DDR! Als diese Diffamierung nicht mehr hinzunehmen war, ließ die Deutsche Gesellschaft für die Gerichtliche Medizin [heute Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin] mein Gutachten durch die erfahrensten Professoren der Gerichtlichen Medizin überprüfen. Sie bestätigten mein Ergebnis. Sowohl der führende Gerichtsmediziner der USA als auch der der Sowjetunion traten meinem Gutachten bei.«
Doch es half alles nichts. Das Wiederaufnahme-Verfahren endete im November 1969 mit einer »Abänderung« des Urteils vom Januar 1955: Freispruch! Hetzel blieb nur wegen »versuchter Notzucht« in einem anderen Fall technisch zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Diese Strafe hatte er aber schon abgesessen.
Von der Tötung Magdalena Gierths wurde Hetzel freigesprochen. Man glaubte ihm nun sogar, dass er Magdalena Gierth die Handtasche abgekauft und nicht gestohlen hatte. Auch den plötzlichen Herztod konnten die Richter nun genau beschreiben:
»Frau Gierth gab dem Angeklagten zu verstehen, dass sie nicht befriedigt sei«, so der Urteilstext. »Wiederum kam es zu einem normalen Verkehr, bei dem Frau Gierth auf dem Rücken lag. Diesmal wurde diese während des Verkehrs sehr aktiv. Sie streckte dem Angeklagten die Brust entgegen und forderte ihn auf, hineinzubeißen. Dieser nahm ihre rechte Brust in den Mund und spielte mit den Zähnen daran.
F rau Gierth schob den Kopf des Angeklagten tiefer herunter und wollte, dass dieser Oralverkehr ausübe. Der Angeklagte entsprach dem nicht, ging aber beißend mit dem Kopf zum Nabel herunter. Beide wurden dabei immer erregter.
Plötzlich drehte sich die Frau um und kniete sich vor dem Angeklagten so hin, dass Ellenbogen und
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