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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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natürlich die Olympiade in Deutschland [1936] gesehen und auch die neuen Waffen und weiß der Teufel. Die Jugend war natürlich interessiert daran.«
    Diese »Umfrage«, von der Prokop sprach, fand in Wahrheit nach dem »Anschluss« Österreichs im März 1938 statt. Es war die Volksabstimmung vom 10. April 1938. Sie endete mit einer sehr hohen Zustimmung für die Nazis.
    Allerdings war die Propaganda zu diesem Anlass auch überwältigend gewesen: Vier hochrangige Nationalsozialisten – Joseph Goebbels, Hermann Göring, Rudolf Heß und Adolf Hitler – hielten kurz vor der Abstimmung Reden in Österreich. Auf Poststempeln und Briefmarken, in Straßenbahnen, auf Plakatwänden und Werbesäulen waren Hakenkreuze und die Aufforderung »am 10. April dem Führer Dein JA « zu sehen. Allein in der Hauptstadt Wien hingen 200 000 Hitler-Porträts.
    Juden und »Mischlinge« durften nicht mitstimmen. Etwa zehn Prozent der Wahlberechtigten waren alleine dadurch von der Wahl ausgeschlossen. Obwohl es auch ohne diese Maßnahmen genügend Sympathien für den Einmarsch der Deutschen gab, war der Ausgang der Wahl von der exzessiven Einflussnahme verzerrt. Dennoch war sich Prokop bis zum Ende seines Lebens sicher, dass es keinen Widerstand gegen den Zusammenschluss Österreichs mit dem Deutschen Reich gab. Noch im Jahr 1995 berichtete er Dokumentarfilmern der DEFA :
    »Die Meinungen gehen da nicht auseinander! Sie brauchen ja nur die alten Wochenschauen und Filme anzuschauen. Die Begeisterung aus unserer Schule war gigantisch damals: Ein Volk, ein Reich, ein Führer et cetera. Wir waren alle begeistert, und wir bekamen ja auch dann von unseren Religionslehrern entsprechende Weisungen.
    Beim Einmarsch des Führers hatten auch die Kirchenglocken zu läuten: ›Gott segne Ihren Weg, geliebter Führer, durch die Heimat Österreich.‹ Das sind alles Erklärungen der Kirche damals gewesen, und wir als katholische Kinder waren natürlich auch … wir haben das natürlich auch gehört.
    Erst später, ich denke im November ’38, da war doch die Judenpogrom-Geschichte [»Reichskristallnacht«, Zerstörung zahlreicher jüdischer Einrichtungen, 9. auf 10. November 1938]. Ich war damals ja bei der Hitlerjugend. Die haben gesagt: ›Prokop, du kannst gut fotografieren, fotografier mal, was da alles los ist.‹
    Da bin ich losgegangen mit meiner [Kodak] Retina 2, mit meiner Kamera, und hab’ einen Platz in Salzburg fotografiert, ein Geschäft, da standen alle Leute davor, und das Schaufenster war zerschlagen. Und dann auch in der Getreidegasse, das war wirklich bedrückend. Da war ein Schmuckgeschäft, und draußen standen Leute, und eine Frau kam heraus, weinend.

    Mit einer »Kodak Retina 2« (hergestellt in Stuttgart ab 1936/1937) fotografierte Prokop in Österreich als Hitlerjunge die November-Pogrome 1938 gegen jüdische Geschäfte und Menschen. Prokop berichtete, dass er nicht nachvollziehen konnte, was den einzelnen Menschen in der »Kristallnacht« angetan wurde. Seine Fotos hat er als verschollen bezeichnet.
    Die Retina 2 war die erste Kamera, in der die fortan allgemein üblichen Kleinbildpatronen verwendet wurden. Davor hatte jede Firma eigene Patronentypen. Eine Mechanik an der Klappe der Kamera versenkt das Objektiv und schließt sie. Deswegen konnte man die Retina 2 gut mit sich führen, ohne die vordere Linse zu verkratzen – eine Art Reporterkamera also.
    Die Leute traten da auf dem Schmuck herum, und wir haben gefragt: ›Was ist denn da eigentlich? Was hat die Frau denn gemacht? Ist irgendwas gewesen?‹ Aber nachdem alle Leute davor standen, war es für uns eigentlich sozusagen ein Verbot, der Sache nachzugehen.
    Obwohl – ich muss sagen, ich war sehr bedrückt darüber, über diese Dame, die auf mich einen vornehmen Eindruck machte. Das war schon schlimm. Ich hab alles Mögliche erlebt in politischen Dingen.«
    Es gab für Prokop noch weitere Anlässe für ungute Gefühle. »Das war eine ganz merkwürdige Zeit«, berichtete er. »Ich war in Wien in der Nähe vom Studentenheim, da war die Milchverkaufszentrale. Da haben wir uns auch gefragt, was ist denn da eigentlich los? Da kamen Leute mit Judenstern [aufgenähtes Markierungszeichen] Milch kaufen, und die Leute waren bedrückt, auch die Verkäuferinnen. Irgendwas war da los. Wir wussten aber nicht, wie weit die Sache ging und was da draus wird. Damals ging in Studentenkreisen die Meinung, dass Hitler die Juden nach Madagaskar schicken will. Die Frage Konzentrationslager

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