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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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nicht. Apropos aufregen, hat er sich denn bei der Hetzel-Sache genauso aufgeregt bei Ihnen wie bei den Homöopathie- oder Akupunktur-Geschichten?
    Der Fall Hetzel, da war er sich ganz sicher, dass ihm hier keiner widersprechen könnte. Das war sein triumphaler Erfolg. Das ist bei den beiden anderen Themen nicht der Fall, da treten sogar ganze Gesellschaften auf den Plan. Bei Hetzel war für ihn klar, dass die Frau aufgrund einer Myokarditis beim Geschlechtsverkehr verstorben war. Die Story mit dem Erwürgen durch einen Kälberstrick war für ihn schon nach Durchsicht der Fotos völliger Unsinn. Die Frau hatte sich zu sehr erregt und Hetzel danach die Panik bekommen. Wer rechnet schon damit? Für Prokop ein Lehrstück der Kriminalistik.
    Es hat ihn auch bis zuletzt nicht losgelassen. Er hat die Akte am Ende noch rausgegeben, weil ihm wichtig war, dass die Sache klargestellt wird.
    Ja, er verurteilte Vorurteile, und hier hatten Vorurteile den Weg zu einem falschen Urteil gebahnt, denn es passte alles so gut zu einem Mord! Hetzel war völlig schuldlos am Tod dieser Frau, der sich im Verlaufe eines einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs tragischerweise ereignete.
    Zum Schluss: Was bleibt denn nun? Wissenschaftliche Leistung bleibt ja scheinbar nicht immer.
    Die DNA.
    Die DNA?
    Das ist es, was bleibt, wenn es bleibt. Ich sagte schon, dass wir über Erich Fried oft gesprochen haben und sein Gedicht »Was bleibt«. Die biologische Unsterblichkeit ist für Naturwissenschaftler die einzig mögliche Form, zu überleben.
    Künstler können auch durch ihre Werke überleben: Musiker, Maler, Dichter. Der Forscher dagegen macht Entdeckungen etwas früher, als sie andere machen. Dieser Ruhm vergeht sehr schnell.
    Otto Prokop hat Sinnvolles getan in Lehre, Forschung und in der Etablierung des Fachs Gerichtsmedizin vor allem im Osten Europas. Das Schöne dabei: Es hat ihm richtig Spaß gemacht. Das weniger Schöne: Einige wenige haben sich darüber geärgert. Die sind heute schon vergessen. Er selbst aber bleibt unvergessen in der Erinnerung derer, die ihn kannten: Er hat ihr Leben bereichert.
    Das Allerschönste: Kinder und Kindeskinder zu haben, denen er nicht nur seine Blutgruppe vererbt hat! »Das mit am schönsten«, wie man im Rheinland sagt, das ist für mich: Er hat Glück im Leben gehabt, und er ist auf seine Art glücklich geworden und gewesen. Dass es am Ende dann doch aufgebraucht war, das gehört nun mal zum Leben, von dem er selbst sagte, dass es da selten Gerechtigkeit gäbe. Dass es davon etwas mehr geben sollte, war seine Aufgabe und sein Ziel.
    Was er in der Forschung alles erreicht hat, wird sich auch ohne Nennung seines Namens weiterentwickeln. Aber man kann diese Errungenschaften getrost bei seinem Namen nennen. Und das wiederum ist Sinn einer Biografie. Denn auch daraus kann man eine Menge lernen.

»Wo Prokop war, war ansonsten nichts.«
    Interview mit Rudolf Wegener
    Rudolf Wegener war von 1987 bis 2009 Professor für Rechtsmedizin und Leiter des Institutes in Rostock. Er arbeitete unter anderem in einem Gebiet, das auch zu Professor Prokops zentralem Forschungsthema »Genetik« gehörte (Promotion: »Leukozytenantigenen auf Granulozyten und Lymphozyten mit multispezifischen HL-A-Isoantiseren«, Habilitation: »Der HLA-A,B,C-Polymorphismus und seine Nutzung in der Abstammungsbegutachtung«).
    1994 – 2000 war Professor Wegener Mitglied des Ausschusses »Ethische und Juristische Grundsatzfragen in der Medizin« der Bundesärztekammer, 2000 – 2008 ehrenamtlicher Richter der Kammer für Heilberufe am Oberverwaltungsgericht Greifswald und 2000 – 2010 Vorsitzender der Ethikkommission der Universität Rostock.
    Rudolf Wegener ist ein ruhiger und weiser Mann, der, soweit ich das über die Jahre beobachten konnte, stets auch ein Interesse für die Randgebiete und benachbarte Gebiete des Faches hatte. Wegen der Qualität seiner Gutachten wurde er öfter als Zweitgutachter hinzugezogen, wenn Unklarheit über die vorherige Beurteilung herrschte.
    Professor Wegener war der offenste und freundlichste aller Rechtsmediziner, die ich für dieses Buch angesprochen habe. Ich danke ihm noch einmal ganz besonders.
    Benecke: Können Sie etwas dazu sagen, ob Professor Prokop jemals irgendetwas hat durchblicken lassen gegenüber seinen Freunden oder anderen Wissenschaftlern …
    Wegener: … dass er im Fokus der Stasi stand?
    Ja, und dass er natürlich auch Kompromisse mit ihr schließen musste.
    Darüber ist mir nichts Konkretes

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