SGK236 - Die Mordwespen des Dr. X
war .
»Schauen Sie her, Diana . Ich nehme doch
an, daß Sie ihren eigenen Augen trauen werden .« Mit
diesen Worten deutete die Maskierte auf die Einstiche in Brian MacCarthys
Körper. »Alles, was Sie da sehen, sind Injektionen, die nicht ich durchgeführt
habe, sondern Stiche durch die Stacheln einzelner Wespen, die ich auf seinem
Körper aufgesetzt habe, wie man manchmal Blutegel ansetzt, um schlechtes Blut
abzuziehen. Aber hier wurde nichts entfernt, sondern hinzugefügt. Brian
MacCarthy reagierte sehr heftig, und ich habe nun noch mal eine Spritze
aufgezogen, um ihn aus dieser apathischen Lage zu befreien. Die Verwandlung
müßte jeden Augenblick stattfinden .«
Morna kam dies alles vor wie ein böser Alptraum, der unablässig
weiterging.
Es schien, als hätte es nur der Worte durch die Unbekannte bedurft,
um etwas einzuleiten, was nun die Schwedin mit eigenen Augen beobachten konnte.
Brian MacCarthys Gesicht verfärbte sich. Die Haut wurde dunkel;
rund um die Augen bildeten sich neue Zellen, die aus dem ursprünglichen Gewebe
wie Krebswucherungen sprossen und neue größere Augen bildeten, die eine
erhabene Oberfläche hatten und sich zusammensetzten wie ein Puzzle.
Facettenaugen! Die Augen eines Insekts ...
Die struppigen Haare des Mannes auf der Bahre verloren ihre Farbe
und verwandelten sich ebenfalls. Sie waren Teil seines Körpers, und das
organische Material wurde benutzt, damit sich neue Formen entwickeln konnten.
Der Schädel wurde völlig kahl, schwarz und glatt, und vorn,
oberhalb der Stirn, schoben sich zwei lange, an den äußersten Spitzen
scheckenartig gedrehte Fühler heraus.
Das Ganze spielte sich vor Morna Ulbrandsons Augen ab wie eine
Zeitlupenaufnahme im Film.
Im nächsten Moment saß auf Brian
MacCarthys Schultern kein Menschenkopf mehr - sondern der eines Insekts, ein
Wespenschädel von ungeheuren Ausmaßen! Unter dem starren, glitzernden Blick
dieser riesigen Facettenaugen erschauerte die PSA-Agentin.
Die maskierte Frau injizierte einen Teil der Flüssigkeit aus dem
Glaskolben in Brian MacCarthys Körper.
Die Reaktion auf die Substanz erfolgte beinahe blitzartig.
MacCarthys Muskeln und Sehnen zuckten, seine Haut spannte sich,
sein Atem wurde tiefer, und es schien, als würde er aus einem Tiefschlaf
erwachen.
MacCarthy richtete sich langsam auf.
»Er hat in den letzten zwei Tagen nur von Wespen geträumt. Nun ist
er selbst eine geworden und das, was in seinem verwirrten Geist in all den
Jahren vor sich ging, mischt sich mit dem Inhalt jener Welt, die eine Wespe durch
ihre Augen empfängt und dem, was ihr angeboren wurde. Geistesgestörte und
psychisch Kranke eignen sich für diese Experimente besonders. In ihrem Körper
befinden sich Stoffe, die im Organismus eines sogenannten »normalen« Menschen
kaum oder nur in geringem Maße vorkommen. Das bedeutet jedoch nicht, daß nur
die Patienten von Dr. McClaw für meine Zwecke geeignet wären. Auch andere sind
es. Ich muß nur noch die richtige Dosis finden und sie auf das neue Leben, das
sie von nun an führen werden, einstimmen .«
Mornas Gedanken arbeiteten unablässig. Manche Dinge konnte sie nun
schon besser begreifen, während andere ihr nur um so rätselhafter erschienen.
Diese Frau - daran zweifelte sie nun keinen Augenblick länger -
war identisch mit jener, die Larry Brent im Gespensterhaus an der Themse
ebenfalls in einem Operationssaal sah. Und diese Frau hatte zuvor mit der
Besitzerin jenes Hauses aus dem Unsichtbaren heraus Kontakt aufgenommen. Eine
Unsichtbare war sichtbar geworden, weil teuflische Mächte sie dazu befähigten.
Dinge, die vor vier-oder fünfhundert Jahren irgendwo in oder um London begonnen
hatten, setzten sich hier in Schottland, abseits der Hektik einer Stadt, auf
rätselhafte Weise fort.
Diese Frau und Dr. X - waren miteinander identisch! Die
Möglichkeiten, die der Unheimlichen dabei zur Verfügung standen, schienen
unerschöpflich zu sein.
Die Maskierte verzog überheblich und triumphierend die Lippen und
lachte leise in einem seltsamen Tonfall. Es bereitete ihr sichtbar Vergnügen,
die unerwartet hier Aufgetauchte mit neuen Überraschungen zu konfrontieren.
»Ah ja - da fällt es mir ein. Ich wollte Ihnen noch etwas zeigen
...« Mit diesen Worten löste sie sich von der Bahre.
Brian MacCarthy saß völlig aufrecht und sah sich mit seinem
bizarren, schaurig anzusehenden Schädel in der Runde um, als müsse er die
Umgebung erst mit seinen neuen Sinnen wahrnehmen.
»Ich wollte Ihnen ja
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