SGK248 - Dr. X - Todesatem
beherrschen und davon
abhalten, was sie vernünftigerweise eigentlich getan hätte...
*
Die aufgehende Sonne färbte die Berggrate.
Sie sahen aus wie blutübergossen.
Rasch kam das Tageslicht, vertrieb die Schatten aus den
zerklüfteten Tälern und die ersten Sonnenstrahlen wärmten die noch kühle
Morgenluft.
Dorothee Collins machte sich in aller Eile fertig und war um
sieben Uhr schon unten an der Tankstelle.
So war es üblich.
Viele Fahrer, die in Richtung Brigham unterwegs waren und von
Rocky-Town kamen, tankten zwischen sieben und acht Uhr. Dann trat eine größere
Ruhepause ein, die sie nutzte, um die Bücher in Ordnung zu bringen.
Dorothee Collins wirkte ernst und verschlossen und sah um Jahre
gealtert aus.
Es zeigten sich graue Strähnen in ihrem schwarzbraunen Haar, das
während der letzten drei Tage auch viel stumpfer geworden war.
Es war morgens um neun Uhr, als der schwere Lastwagen aus Richtung
Brigham kam und an der Tankstelle vorfuhr.
Hinter dem Steuer saß Howard Trevon, der hier Stammgast war.
Trevon war Fahrer bei Leverly, einer Gesellschaft, die Frischfleisch und
Konserven auslieferte. Einmal in der Woche kam er vorbei, weil er neue Ware in
die verstreut in den Mountains liegenden kleinen Dörfer bringen mußte.
Trevon tankte voll, stellte sein Fahrzeug dann an der Seite neben
der Werkstätte ab, klemmte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und kam
strahlend auf Dorothee Collins zu, die an diesem Morgen bediente.
Das war ungewöhnlich.
»Was ist mit Tom ?«
Er sah aus wie ein Preisboxer, hatte Stoppelhaare und eine flache,
breite Nase, die darauf schließen ließ, daß er sich tatsächlich auch schon im
Boxgeschäft versucht hatte.
»Ist er krank ?« Er blickte in die Runde
und warf einen Blick in die Werkstatt, deren Schiebetüren weit geöffnet waren,
ohne darin jedoch jemand zu hören und zu sehen.
»Nein. Er ist nicht da«, antwortete Dorothee Collins und kam
Howard Trevon entgegen.
Sie lächelte abwesend.
»Hoho«, reagierte Trevon, »Tom ist außer Haus? Das ist das
Neueste. Das passiert zum ersten Mal in den zehn Jahren, seit ich hier
vorbeikomme .«
»Irgendwann ist alles das erste Mal«, sagte Dorothee Collins und
ging in den verglasten Verkaufsstand, wo Howard Trevon regelmäßig wie gewohnt
sein Frühstück einnahm.
»Du scheinst nicht gerade bester Laune zu sein«, sagte er, während
er belegte Brote auspackte und Dorothee Collins ihm zwei Coladosen hinstellte.
Er musterte die Frau. Sie gefiel ihm nicht. Dorothee hatte sich
verändert. Innerhalb einer Woche. Howard wußte, daß er ein vierschrötiger Kerl
war, aber er besaß noch so viel Benehmen, um Dorothee Collins nicht direkt auf
ihr Aussehen anzusprechen.
»Habt ihr euch gestritten ?« fragte er
zwischen zwei Bissen.
»Natürlich nicht. Wie kommst du denn darauf, Howard ?«
Während sie redete, wischte sie mit einem feuchten Tuch über die
Verkaufstheke und räumte dort ein wenig auf. Das war nach Trevons Überzeugung
überhaupt nicht notwendig. Es schien, als wolle Dorothee Collins sich einfach
nur beschäftigen.
»Tom ist oben. Er muß etwas erledigen. Schließlich ist auch mal im
Haus was zu tun, was eine Frau nicht erledigen kann, nicht wahr ?« sagte sie nach einer Weile unvermittelt, das Gespräch
wieder in Gang bringend.
Sie wurde plötzlich wieder freundlicher, lächelte öfter, und ihre
Stimme klang nicht mehr so hart.
Howard Trevon erhob sich und sagte dumpf: »Fast hätte ich's
vergessen. Aber ich habe euch etwas mitgebracht. Ein paar Dosen eingemachtes
Fleisch. Feinste Qualität. Das wird auch schmecken ... Ich bin gleich wieder
zurück .«
Er verließ den kleinen Verkaufsraum, in dem zwei Tische standen,
und lief zu seinem Fahrzeug.
Die unetikettierten Konservendosen standen unter dem Fahrersitz.
Insgesamt waren es drei Büchsen, die Trevon brachte.
Als er sich auf halbem Weg zum Verkaufsraum befand, fiel sein
Blick auf das Plateau, wo die beiden Holzhäuser standen.
Auf der weiträumigen Terrasse hantierte ein Mann.
An der Haltung, der Kleidung und dem Aussehen glaubte Howard
Trevon eindeutig - Tom Collins zu erkennen!
Howard Trevon rief laut den Namen des Werkstattbesitzers.
»Hallo! Tom - altes Haus! Willst du nicht auf einen Drink
herunterkommen ? !«
Er winkte heftig. Es waren nicht die Worte, die oben ankamen. Das
Haus stand zu weit entfernt.
Aber der Mann, der dort arbeitete und den Howard Trevon für Tom
Collins hielt, richtete sich auf und - winkte
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