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SGK264 - Im Wartesaal der Leichen

SGK264 - Im Wartesaal der Leichen

Titel: SGK264 - Im Wartesaal der Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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Schreck geweitet.
    »Lee«, entrann es ihren bebenden Lippen.
    Am liebsten wäre sie stehen geblieben, um ihrem Bruder in die
offenen Arme zu laufen.
    Ein herzliches Verhältnis hatte das Zusammensein der beiden
Geschwister miteinander bestimmt. Aber nun konnte sie dem eigenen Bruder nicht
mehr trauen, der zu nachtschlafender Zeit als Geist in das Elternhaus
zurückkehrte, sie erschreckte, die Wohnung demolierte und am nächsten Tag noch
mal wiederkam, um den Vater zu töten.
    Lee war nicht mehr der gleiche wie damals. Mit seinem Tod war
alles anders geworden. Er war ein Monster, das man fürchten mußte. Ein Werkzeug
in der Hand einer wahnwitzigen Person, die selbst dem Wahnsinn anheimgefallen
war.
    Schritt für Schritt wich Mi Tsu rückwärts.
    Sie konnte einfach nicht anders, als ihren Bruder anzusehen, der
da auf sie zukam.
    »Lee«, murmelte sie. »Geh' zurück! Hilf mir! Halt' mir die anderen
vom Hals ... ich bin Mi, deine Schwester... erkennst du mich denn nicht wieder ?«
    Er war höchstens noch sechs Schritte von ihr entfernt.
    Bis zum Ufer hinunter aber waren es noch mindestens zwanzig.
    Im Gesicht des lebenden Toten regte sich kein Muskel.
    Kalt blickten die matt schimmernden Augen die Schwester an.
    Ob er sie wirklich erkannte?
    Wußte er überhaupt noch etwas vom Leben oder war sein Körper nur
ein gefühlloser, geist- und seelenloser Roboter?
    Mit einem markerschütternden Schrei warf Mi sich herum und rannte,
so schnell sie konnte, den leicht abschüssigen Weg nach unten zum Ufer, wo das
Motorboot lag.
    Nur weg hier von diesem Ort des Grauens, weg von diesem rot-weißen
Gebäude, wo die Toten auf ihren Weitertransport warteten, sich aber in der
Zwischenzeit zu einem Horrorfeldzug ersten Ranges gegen die entschlossen
hatten, aus deren Reihen sie hervorgegangen waren.
    Mis Herz schlug bis zum Hals.
    Das Mädchen war einen Augenblick lang unachtsam, stolperte und
fiel der Länge nach auf den Boden.
    Sekundenlang lag sie da, als wäre jegliches Leben aus ihrem Körper
gewichen.
    Wie im Bann fingen ihre Augen die unglaubwürdige Szene ein.
    Lee war nur noch wenige Schritte von ihr entfernt und begann zu
rennen. Die anderen Gestalten hinter ihm beschleunigten ebenfalls ihren
Schritt, als würde ein stummer Befehl sie dazu veranlassen.
    Mi rollte einfach den abschüssigen Weg nach unten und kam zitternd
und schluchzend auf die Füße.
    Die letzten Meter bis zum Boot erschienen ihr wie eine Ewigkeit.
    Su! Chang Li! hämmerten die Gedanken in ihrem Kopf. Sie kamen
nicht. Die lebenden Leichen hielten sie in ihren Klauen.
    Erschöpft und am Ende ihrer nervlichen Kraft erreichte sie das
schaukelnde Motorboot. Sie wußte nicht mehr zu sagen, wie sie es schaffte, über
die Seitenwand zu steigen.
    Da blieb keine Zeit zum Überlegen und erst recht nicht zum Warten.
    Der Schlüssel steckte. Es schien, als hätte Chan Ling von Anfang
an ihren Rückzug decken wollen. Und nun kam er selbst nicht in den Genuß seiner
eigenen Vorsicht.
    Mit zitternder Hand startete Mi Tsu den Motor, der aufheulte.
    Ein Ruck lief durch den Bootsleib.
    Wie eine Rakete schoß es nach hinten. Das Tau, an dem es befestigt
war, zerriß mit lautem Knall, als würde jemand eine Peitschenschnur durch die
Luft ziehen.
    Mi Tsu verlor den Halt und stürzte auf die Planken, als das
Motorboot herumschnellte.
    Das Steuer geriet außer Kontrolle und das Gefährt drehte sich wie
von Sinnen immer im Kreis herum.
    Mi Tsu hatte Mühe, in die Hocke zu kommen und das Steuerrad zu
greifen.
    Es gelang ihr, das Boot in eine gerade Richtung zu lenken, so daß
es sich von der Insel entfernte.
    Die Chinesin umklammerte mit beiden Händen den Bug, so daß ihre
Knöchel weiß hervortraten.
    Am ganzen Leib zitternd, starrte sie auf die unheimliche Insel
zurück, wo das Grauen zu Hause war.
    Weder von Su Hang, noch von Chang Li gab es die geringste Spur ...
    Mi Tsu schlugen wie im Schüttelfrost klappernd die Zähne
aufeinander. Sie war aufs äußerste erregt und konnte kaum fassen, dem Unheil
entkommen zu sein.
    Im Moment gab es für Su und Chang keine Hilfe. Doch dadurch, daß
Chang Li ihr noch im letzten Augenblick den Weg freigekämpft hatte, gab es
vielleicht doch eine Chance, den lebenden Leichen auf den Leib zu rücken.
    Sie mußte die Polizei informieren!
    Wenn sie hierher zurückkehrte mit Helfern im Schlepptau, dann war
auch für Su Hang und Chang Li möglicherweise nicht alles verloren.
    Da krachte es.
    Der Schlag traf das Motorboot und warf es herum, so daß

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