Shadow Falls Camp - Entführt in der Dämmerung: Band 3 (German Edition)
vielleicht, ob die beiden älteren Leute, die hier waren, gestorben sind?«
»Ihre Geister sind nicht zu mir gekommen, falls du das gemeint hast«, antwortete Holiday.
Kylie biss sich auf die Unterlippe. »Ich kann mich noch genau erinnern, wie sich die Hand der alten Frau angefühlt hat. Ich hab irgendwie das Gefühl, dass sie nicht hier waren, um mir zu schaden.«
»Warum sollten sie sonst hier gewesen sein?«
»Ich weiß es nicht.« Kylie schloss die Augen. »Aber genauso, wie ich weiß, dass Jane Doe keine Mörderin ist, weiß ich irgendwie, dass die zwei nicht böse waren.«
Holiday setzte sich auf und zog die Knie an den Körper. »Vielleicht ist das deine Art, dich zu weigern, etwas Böses in anderen zu sehen.«
Kylie dachte über diese Theorie einen Moment nach. Dann erinnerte sie sich an ihre Begegnungen mit dem Adler und dem Hirsch. Sie war dem Bösen gegenüber nicht blind. Sie konnte es schon erkennen, wenn sie es sah, und bei den falschen Brightens hatte sie es nicht gesehen. »Nein«, sagte sie. »Das ist es nicht.«
Kylie dachte wieder an Jane Doe. »Gestern Nacht musste ich an die Vision denken, und mir ist eingefallen, was die Krankenschwester dem Arzt gesagt hat. Dass ihr Ehemann – also Jane Does Ehemann – gerade aufgewacht ist und nach ihr fragt.«
»Und du glaubst, das hat etwas zu bedeuten?«, fragte Holiday.
»Berta Littlemon war nicht verheiratet. Und die Vision vermittelt den Eindruck, als hätte der Ehemann dieselbe Operation gehabt wie Jane Doe.«
Holiday stutzte und sagte dann: »Manchmal sind Visionen echt schwer zu entziffern.«
»Aber all die anderen Male, als ich so eine Art Vision hatte und in die Rolle der Person geschlüpft bin, waren die Szenen keine Puzzleteile, die ich zusammensetzen musste, um ihre Bedeutung zu entziffern. Es waren immer Szenen, die genau so wirklich passiert waren.«
»Aber die Visionen geben trotzdem immer die Perspektive des Geistes wieder. Und wenn Jane Doe verrückt ist, dann …«
Kylie schüttelte den Kopf. »Ich glaube einfach nicht, dass sie verrückt ist. Oder böse.«
»Ich hoffe, du hast recht.« Holiday seufzte.
»Ich auch.«
Die nächste Zeit saßen sie einfach still da und lauschten dem Rauschen des Wassers und der Ruhe. Kylie sah wieder zu Holiday rüber und spürte einen leisen Anflug von Beunruhigung. »Was soll ich nur Sara sagen, wenn sie am Sonntag zu Besuch kommt?«
»Du sagst ihr gar nichts, außer, dass du froh bist, dass sie wieder gesund ist.«
»Es wird so seltsam werden, sie hier zu haben. Sie ist aus meiner alten Welt, und meine alte Welt sollte nicht mit meiner neuen Welt vermischt werden. Es ist, wie wenn man seinen Lehrer auf einer Party trifft.«
Holiday kicherte. »Oder den Frauenarzt im Supermarkt. Das ist mir mal passiert, das war so komisch.« Sie streckte die Hand aus und legte sie auf Kylies.
Normalerweise wirkte Holidays Berührung nur beruhigend, aber dieses Mal war es anders. Dieses Mal wurde alles schwarz.
27. Kapitel
Für einen Moment fühlte es sich so an, als hätte jemand das Licht ausgeschaltet. Kylie konnte Holidays Hand auf ihrer eigenen spüren, aber in der Höhle war es plötzlich stockdunkel.
Dann wurde es wieder hell. Kylie schaute sich verwirrt um. Sie war nicht mehr bei den Wasserfällen. Stattdessen saß sie auf einem unbequemen Klappstuhl im Freien unter einer schwarzen Plane. Die Luft roch nach Regen, und sie war traurig. Furchtbar traurig.
Wo war nur die Gelassenheit der Wasserfälle hin? Was zur Hölle war nur passiert?
Sie brauchte eine Sekunde, um zu erkennen, dass sie eine Vision hatte. Sie hatte keine Ahnung, was sie dieses Mal sehen sollte, aber es war ihr auch egal. Sie wollte es nicht sehen.
Kylie versuchte, sich rauszuziehen. Sie wollte zurück – dahin, wo sich alles richtig anfühlte, wo Ruhe herrschte, wo das Geräusch des Wassers ihre aufgewühlte Seele beruhigte.
Als das nicht funktionierte, versuchte sie herauszufinden, wo sie war. Ihr stockte der Atem, als sie den Sarg auf der Lichtung stehen sah. Ihre Augen füllten sich mit stillen Tränen, und sie wusste, dass jemand, der ihr nahestand, darin liegen musste.
»Nein«, flüsterte sie. »Bitte nicht.«
Jemand berührte ihre Hand. Kylie erkannte Holidays Berührung noch bevor sie die Campleiterin neben sich sitzen sah. Holiday trug schwarze Trauerkleidung und kein Make-up. Die noch nicht vergossenen Tränen ließen ihre grünen Augen heller erscheinen.
Dann fing jemand am Sarg an zu sprechen. Kylie
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