Shadow Falls Camp - Entführt in der Dämmerung: Band 3 (German Edition)
verstand, tot sehen wollten.
Kylie atmete tief ein und spürte die Ruhe, die die Wasserfälle ausstrahlten, in sich. Es war wunderbar. Nicht einmal der Gedanke, auf der Abschussliste irgendeines übernatürlichen Schurken zu stehen, konnte ihre friedliche Stimmung ruinieren.
Sie lehnte sich zurück, stützte sich mit den Händen ab und musterte Holiday, die mit geschlossenen Augen dasaß. »Weißt du, eigentlich sollten wir die anderen auch mal mit hierherbringen.«
Holiday öffnete die Augen. »Ich wünschte, es wäre so einfach.«
»Wie meinst du das?«
»Man bringt nicht einfach jemanden zu den Wasserfällen mit, Kylie. Die Wasserfälle müssen einen rufen, erinnerst du dich?«
Kylie erinnerte sich und war plötzlich neugierig. »Aber warum rufen die Wasserfälle manche Leute und andere nicht?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Holiday. »Aber es heißt, dass sie weniger als ein Prozent aller Übernatürlichen rufen.«
»Sind denn alle, die gerufen werden, Geisterseher?«
»Alle, die ich kenne, schon. Es gibt Legenden über die Wasserfälle, die Tausende von Jahren alt sind. Für die amerikanischen Ureinwohner waren sie eine heilige Stätte, und sie bestimmten, dass nur Auserwählte Zutritt haben sollten.«
»Aber Burnett hatte Zutritt«, wandte Kylie ein.
»Ich weiß, das hat mich auch etwas schockiert.«
»Weil du nicht glaubst, dass er ein Auserwählter ist?«, fragte Kylie.
»Nein, weil er keine Geister sehen kann.«
»Du hättest mal sehen sollen, wie er dich beobachtet hat, als dich die anderen neulich beim Abendessen begrüßt haben«, rutschte es Kylie heraus. »Ich glaube, er liebt dich, Holiday.«
Holiday zog missbilligend die Augenbrauen zusammen. »Du versuchst wohl immer noch die Kupplerin zu spielen, was?«
»Vielleicht versuche ich nur, ein paar Freunden zu helfen.«
»Oder vielleicht konzentrierst du dich mal wieder lieber auf die Probleme anderer, damit du nicht über deine eigenen nachdenken musst.«
»Ja, vielleicht.« Kylie zuckte mit den Schultern. »Aber im Moment erscheinen mir meine Probleme gar nicht so dramatisch.« Sie hob den Blick zur Felsendecke und bewunderte die Schönheit der Felsmuster.
Holiday kicherte. »Es ist schon faszinierend, was hier drinnen mit einem passiert, oder?« Sie atmete tief ein. »Ich wünschte, ich könnte es in Flaschen abfüllen und in meiner Handtasche mit mir herumtragen. So könnte ich immer einen Schluck nehmen, wenn ich es gerade gebrauchen kann.«
»Zu blöd, dass wir nicht hier drinnen wohnen können.«
»Hast du den Geist seit dem Vorfall noch gesehen?« Holiday streckte die Beine aus.
Kylie nickte. »Sie hat mich gestern Nacht aufgeweckt. Ich hab gemacht, was du gesagt hast, und sie gefragt, ob da noch ein anderer Körper mit ihr im Sarg war.«
»Und, was hat sie gesagt?«
»Nichts. Aber sie hatte wieder diesen komischen Gesichtsausdruck.«
»Was für einen komischen Gesichtsausdruck?«
»Als hätte ich ihre Erinnerung angekurbelt oder so. Immer wenn das passiert, verschwindet sie danach.«
»Vielleicht will sie sich ja gar nicht erinnern«, schlug Holiday vor. Kylie hörte die Unterstellung in Holidays Stimme, dass Jane Doe vielleicht doch unschuldige Kinder ermordet hatte.
»Ich glaube, sie hat zu viel Angst, sich zu erinnern«, entgegnete Kylie. »Aber nicht aus den Gründen, die du denkst.«
»Aber warum hat sie dann Angst?«
Kylie zögerte. »Vielleicht aus demselben Grund wie ich.«
Holiday schaute sie fragend an. »Und warum hast du Angst?«
»Ich hab Angst, die Wahrheit herauszufinden. Zu erfahren, was ich bin.«
»Wieso denn?« Holiday sah verwirrt aus.
»Weil es ungewiss ist. Weil es die ganze Zeit ein Geheimnis für mich war. Weil es wahrscheinlich mein Leben für immer verändern wird.«
Kylie setzte sich gerade hin und fuhr fort: »Es ist nicht so, dass ich die Wahrheit nicht wissen will. Das will ich schon. So sehr, dass ich es kaum aushalte und manchmal an nichts anderes denken kann. Trotzdem habe ich Angst davor. An dem Tag, als die Brightens oder die Leute, die wir für die Brightens gehalten haben, zu Besuch gekommen sind, hatte ich so viel Angst, dass ich innerlich gezittert habe. Ich wäre fast davongelaufen. Wenn Lucas nicht bei mir gewesen wäre, hätte ich es vielleicht getan.«
Kylie schluckte schwer. Und in dem Moment beschloss sie, Holiday endlich eine Frage zu stellen, die ihr schon länger auf der Seele lag. »Hast du in letzter Zeit irgendwelche neuen Geister gesehen? Also, weißt du
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