Shadow Falls Camp - Entführt in der Dämmerung: Band 3 (German Edition)
Mönchskutte, deren grober Stoff im Wind raschelte.
»Kylie Galen.« Marios Stimme klang so alt, wie er aussah. Dennoch ging eine unglaubliche Macht von ihm aus, die kaum zu übersehen war. War sie wirklich wie er? Sie musterte Mario; aus der Nähe waren seine Augen schwarz, kohlschwarz. Sie konnte darin nur Böses erkennen, und der Gedanke, dass sie mit diesen Leuten irgendetwas gemeinsam haben sollte, widerte sie an. »So treffen wir uns also wieder«, fuhr Mario fort.
Sie ging einen kleinen Schritt zurück, näher an die Kante heran. »Unglücklicherweise.« Kylie spürte den Abgrund hinter sich, es waren nur wenige Zentimeter.
»Das ist wahr, meine Liebe«, sagte Mario. »Obwohl, wenn dir daran liegt, dein Leben zu retten, musst du dich uns nur anschließen. Schwöre uns die Treue, und du wirst leben. Mein Enkelsohn wird dir ein guter Ehemann sein.«
»Was seid ihr?« Sie zog die Augenbrauen hoch und sah ihre Gehirnmuster. Mario war Vampir, der Bärtige war Hexer, und der Dritte hatte das Muster eines Werwolfs. Aber alle drei Muster waren dunkel und seltsam.
»Schließ dich uns an, und du wirst deine Antworten finden.«
Kylie schluckte und schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Sie betete um Hilfe. Dann betete sie um Vergebung für alles, was sie je falsch gemacht hatte. Dann betete sie um Mut. Sie machte einen weiteren Schritt zurück, und ihre Füße traten ins Leere.
36. Kapitel
Die Schwerkraft zog Kylie in die Tiefe. Ihr stockte der Atem, doch im selben Moment packte sie jemand am Arm. Mit wild klopfendem Herzen sah sie hoch, ins Gesicht ihres Retters. Red.
Er riss sie zurück in Sicherheit.
Ihre Füße fanden Halt, und sie kam neben ihm zum Stehen. Aber ihre Gedanken rasten, als ihr bewusst wurde, dass er ihr das Leben gerettet hatte. »Hallo, Kylie«, grüßte sie der Abtrünnige.
Sie starrte ihn nur an, weil sie keine Ahnung hatte, was sie sagen sollte.
»Sie hat ihre Wahl getroffen«, sagte der bärtige Mann neben Mario. Seine dunkelbraune Robe flatterte im Wind, als er die Hand hob und seine langen knochigen Finger auf sie richtete. Voller Entsetzen sah sie, wie Flammen aus seinen Fingerspitzen sprühten.
Red warf sich vor sie und die Flammen des alten Mannes erloschen. »Ich hab euch doch gesagt, ich sorge dafür, dass sie ihre Meinung ändert. Gebt ihr einfach etwas Zeit. Sie ist zu wertvoll, um getötet zu werden«, versuchte er die Männer zu überzeugen.
»Sie hat ihre Wahl getroffen«, beharrte Mario. »Ihre Zeit ist gekommen. Geh aus dem Weg und überlass sie ihrem Schicksal.«
»Nein«, entgegnete Red entschieden.
Kylie starrte ihren Retter verwirrt an. Wieso verteidigte er sie so vehement?
»Du wagst es, mir vor meinen Leuten zu widersprechen?«, knurrte Mario finster.
»Ich wage es«, erwiderte Red. »Ich habe mein ganzes Leben lang deinen Regeln gehorcht. Du hast meine Mutter ermordet. Du hast meinen Vater gezwungen wegzulaufen. Ich hab das immer akzeptiert, und ich hab dich nie um etwas gebeten. Bis jetzt. Verschone sie. Für mich.«
»Sie kann nicht verschont werden«, sagte einer der anderen alten Männer. »Sie wird uns schaden.«
»Das wird sie nicht. Ich werde dafür sorgen«, versicherte Red. »Ich werde sie dazu bringen, ihre Meinung zu ändern, ich kann sie überzeugen.« Seine Stimme hatte etwas Flehendes.
»Die Entscheidung ist gefallen«, widersprach der Bärtige.
Der zweite alte Mann hob die Hand, und eine heftige Windböe packte Kylie, hob sie in die Luft und trieb sie über die Kante.
Sie fiel. Sie spürte, wie sich die Luft teilte, während ihr Körper nach unten raste. Sie wurde starr vor Angst. Doch die Trauer um diejenigen, die sie liebte, verjagte die Angst. Sie sah all die Gesichter vor sich, die sie vermissen würde. Sie sah Lucas’ Gesicht und dann Dereks. Sie sah ihre Freunde – die alten wie die neuen. Dann blinzelte sie. Sie konnte nicht atmen. Die Sonne ging unter, und sie fand eine seltsame Art von Ruhe in sich selbst. Die Farben der Dämmerung trugen sie auf einer Woge der Stille. Sie würde bald mit Daniel und Oma zusammen sein.
Da wurde sie gepackt. Sie dachte sofort daran, wie Perry sie aus der Luft gefangen hatte, als sie in das Erdloch gefallen war. Der Ruck, als ihr Fall gestoppt wurde, ließ wieder Luft in ihre Lungen strömen. War Perry gekommen, um sie zu retten?
»Ich hab dich. Halt dich fest!«
Aber die Stimme gehörte nicht Perry. Sondern Red.
Ein Blitz schoss so dicht an ihnen vorbei, dass Kylie ein Brennen auf der Haut
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