Shadow Falls Camp - Entführt in der Dämmerung: Band 3 (German Edition)
spürte.
Sekunden später landete der riesige Vogel auf der Felskante und setzte sie vorsichtig auf dem Boden ab. Als er sich in seine menschliche Form zurückverwandelte, blieb das Funkensprühen aus. Er war kein normaler Gestaltwandler.
»Bist du okay?«, fragte er.
Kylie sah ihn durch einen Schleier aus Tränen an und nickte.
Er hatte sie vor der Schlange gerettet. Und vor dem Blitzeinschlag im Wald. Und dann wollte er sie auch vor dem Erdloch retten. Sie hatte sich nie bedankt und nie daran gedacht, dass es angebracht wäre, weil sie nur Böses in ihm gesehen hatte. Aber dann hatte er auch Miranda das Leben gerettet.
»Ich weiß nicht einmal deinen richtigen Namen«, brachte sie hervor.
»Roberto.« Er lächelte. »Ich hab das hier grad noch erwischt.« Er reichte ihr Ellies Kappe.
In dem Moment wusste Kylie es. Red … Roberto war nicht böse.
»Danke«, murmelte sie.
Er starrte sie an, als wüsste er nicht, wie er darauf reagieren sollte. Dann streckte er die Hand aus und wischte ihr eine Träne von der Wange. »Sogar wenn du weinst, bist du noch hübsch.«
»Nein, bin ich nicht. Ich werde total rot und …« Ein Blitz fuhr krachend vom Himmel. Roberto schob sie reflexartig zur Seite. Sie stieß mit dem Rücken an die Felswand hinter sich. Er sah aus, als wollte er wegrennen, doch da sauste schon der nächste Blitz hernieder. Und traf ihn. Der Boden bebte beim Einschlag. Der Geruch von verbranntem Fleisch lag in der Luft.
Kylie fiel auf die Knie. Panik schnürte ihr die Kehle zu. Sie wollte es nicht sehen, aber sie konnte den Blick nicht abwenden. Robertos Augen wurden blutrot, und sein Körper bog sich krampfartig nach hinten; etwas wie Rauch stieg aus seinem geöffneten Mund auf. Kylie wusste, dass es seine Seele war. Und dann fiel er nach hinten. Das Geräusch seines leeren Körpers, der hart auf dem Boden aufschlug, war dumpf und leer.
Sie eilte zu ihm, um ihn zu retten.
»Tu es nicht.« Der Klang seiner Stimme überraschte sie. Sie sah auf. Sein Geist stand hinter seinem Körper und schaute in den Abendhimmel. »Ich will nicht bleiben.« Der Himmel erstrahlte in Lila, Rosa und Gold; ein grauer Streifen kündete von der anbrechenden Nacht.
»Kannst du sie sehen?« , fragte er.
Für einen Moment dachte sie, er meinte seinen Großvater und die anderen beiden, aber dann sah sie, was er meinte. Engel tanzten am bunten Himmel; wie Vögel bewegten sie sich anmutig im Wind.
Kylie nickte. »Ja, ich kann sie sehen.« Aber sie musste es trotzdem versuchen. Sie legte ihre Hände auf seinen Körper. Und konzentrierte sich. Nichts passierte. Ihre Hände wollten einfach nicht warm werden. Schließlich gab sie auf.
»Warum willst du mich retten?« , fragte sein Geist.
»Weil du mich gerettet hast«, antwortete Kylie und schaute ihn an.
Er erwiderte ihren Blick, und alles Böse war aus seinen Augen verschwunden. Sie sah nur noch eine Person, die niemals eine Chance gehabt hatte. Ein Junge, der mit dem Bösen aufgewachsen war und nie Liebe erfahren hatte. »Ich verstehe jetzt« , sagte er. »Ich habe mich geirrt, Kylie Galen. Du bist nicht meine Seelenverwandte. Aber du hast meine Seele gerettet.« Dann, ganz langsam, hob sich seine Seele gen Himmel. Er wurde Teil der Farben des Abendhimmels. Teil der Schönheit, Teil von etwas Ewigem. Die Todesengel entführten ihn in die Dämmerung.
Kylie war sich nicht sicher, wie viel Zeit vergangen war, aber der Himmel war bereits schwarz, als eine weitere Windböe aufkam. Etwas sauste an ihr vorbei und wurde zu einem Körper, der ein paar Meter vor ihr in der Hocke landete. Kylie wich erschrocken zurück, erkannte dann jedoch Burnett.
»Kylie, geht es dir gut?«
Sie nickte.
»Ich muss dich schnell hier wegbringen.« Er zog sie hoch.
Sie sah ein letztes Mal auf den Körper zu ihren Füßen und bemerkte, dass seine toten Augen offen waren. Sie beugte sich hinab und drückte seine Lider zu.
Beim Aufrichten erklärte sie Burnett: »Er ist gestorben, als er mir das Leben gerettet hat.«
»Dann wird die Hölle vielleicht nicht ganz so schlimm für ihn werden.« Burnett hob sie hoch.
»Er ist nicht in der Hölle«, widersprach Kylie.
Sie wusste nicht, ob Burnett das noch gehört hatte. Aber es war ihr egal. Sie wusste es.
Burnett brachte Kylie zurück zum Büro, wo Holiday nervös auf der Veranda auf und ab ging. Er setzte Kylie ab.
»Gott sei Dank!« Holiday rannte zu Kylie und umarmte sie.
»Danke«, sagte Holiday zu Burnett, aber als sie Kylie wieder
Weitere Kostenlose Bücher