Shadow Falls Camp - Erwählt in tiefster Nacht: Band 5 (German Edition)
Verschwinden zu viel für ihn gewesen. Da hörte sie es. Schritte.
Mist.
Jemand kam auf sie zu. Es konnten nur die Wachen sein.
Kylie überlegte panisch, was zu tun war. Sie konnten sie hören, egal ob sie unsichtbar war oder nicht. Aber immerhin war sie unsichtbar. Doch was war mit Derek?
Da hatte sie ein Idee. Schnell konzentrierte sie sich darauf, sichtbar zu sein. Derek starrte sie völlig verblüfft an, als sie wieder vor ihm stand. »Sie sind ganz in der Nähe«, flüsterte ihm Kylie ins Ohr. Sie nahm seine Hand und verschränkte sie mit ihrer Hand. Normalerweise würde sich Kylie keine so großen Sorgen um die Wachen machen, Chamäleons waren nicht gerade als Kämpfer bekannt. Doch das bedrohliche Gefühl, das ihr immer noch eine Gänsehaut verursachte, ließ sie lieber kein Risiko eingehen. Nicht jetzt, wo sie schon fast am Zaun waren.
Sie beugte sich noch näher an sein Ohr. »Ich mach dich jetzt auch unsichtbar. Du musst aber ganz still sein, denn sie können uns dann zwar nicht mehr sehen, aber immer noch hören. Hast du verstanden?«
»Moment mal, du willst mich …«
Sie unterbrach ihn, indem sie ihm einen Finger auf die Lippen presste. Dann schloss sie die Augen, ohne wirklich zu wissen, ob sie das wirklich konnte. Sie dachte ganz fest daran, zu verschwinden – und Derek mitzunehmen.
Langsam begannen ihre Beine, sich in Luft aufzulösen. Dereks Hand schimmerte auf einmal ganz komisch. Er schnappte nach Luft, als auch er es sah. Bis dahin war ihr der Gedanke gar nicht gekommen, dass die Unsichtbar-Sache vielleicht nur bei Chamäleons funktionierte. Was, wenn es Derek schadete? Sie hätte seine Hand fast losgelassen, doch stattdessen hörte sie auf ihr Bauchgefühl, und das sagte ihr, dass es schon gutgehen würde.
Lieber Gott, sie hoffte, es ließ sie nicht im Stich.
Dereks Körper verschwand nach und nach, gerade hatte sie seinen Arm noch gesehen, jetzt war er weg. Sie verstärkte den Griff um sein Handgelenk und spürte, wie er seinen Daumen auf ihrer Haut bewegte. Da bemerkte sie, dass sein Blick auf ihren Mund gerichtet war. Er näherte sich ihrem Gesicht. O nein! Zum Glück wurde er unsichtbar, ehe er seine Lippen auf ihre pressen konnte. Genau wie Kylie. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihren Lippen und wich zurück.
»Kannst du mich hören?«, raunte sie ihm leise zu. In Gedanken war sie immer noch bei dem Beinahe-Kuss. Warum fühlte es sich nur so falsch an? Sie war doch Lucas gegenüber nicht mehr verpflichtet. Aber sie war sich selbst verpflichtet. Nämlich nur das zu tun, was sich richtig anfühlte. Und dieser Beinahe-Kuss hatte sich nicht richtig angefühlt. Vielleicht auch nicht ganz falsch, aber eben auch nicht ganz richtig.
»Geht es dir gut?«, fragte sie, als er keine Antwort gab.
»Ja. Das ist echt total cool!«, flüsterte Derek begeistert.
Schon seltsam, wie verschieden Reaktionen ausfallen konnten. Als sie selbst das Verschwinden zum ersten Mal erlebt hatte, war sie ausgeflippt vor Panik. Sie war allerdings auch allein gewesen und hatte keine Ahnung gehabt, was mit ihr geschah.
»Lass ja nicht meine Hand los, sonst wirst du wieder sichtbar«, warnte Kylie leise. Zumindest nahm sie an, dass es so funktionierte. Wenn nicht, hatten sie später ein Problem.
»Dich
nicht
loszulassen, ist
nicht
schwer«, raunte er ihr vielsagend zu und strich dabei wieder mit seinem Daumen über ihr Handgelenk. »Ich hatte nie vor, dich loszulassen.«
»Jetzt ist echt nicht der Moment für …«
»Ich weiß.« Derek klang plötzlich schuldbewusst.
Kylie versuchte ihre rasenden Gedanken zu beruhigen. Wenigstens schien ihm das Verschwinden nicht geschadet zu haben. Jetzt konnte sie nur hoffen, dass es genauso leicht sein würde, ihn wieder erscheinen zu lassen. Sie hoffte inständig, keinen Fehler gemacht zu haben.
»Und jetzt?«, fragte er kaum hörbar. Sie spürte seinen Atem an ihrer Wange. Unwillkürlich wich sie zurück.
»Wenn ich Jenny richtig verstanden habe, gehen die Wachen das Gelände ab. Ich hab Schritte gehört und nehme an, dass sie das sind. Sie sind noch nicht so nah, aber es klingt so, als wären es zwei. Jetzt können wir nur hoffen, dass sie an uns vorbeigehen.«
»Klingt nach ’nem super Plan.«
Klingt eher so, als hätten wir keine andere Wahl,
dachte Kylie.
Sie standen unsichtbar und regungslos nebeneinander. Die Schritte kamen näher. Und näher.
Noch näher. Aber es war niemand zu sehen. Kylie konnte sogar schon jemanden atmen hören. Daraufhin
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