Shadow Falls Camp - Erwählt in tiefster Nacht: Band 5 (German Edition)
draußen rumlief. Aber verdammt nochmal, sie brauchte Antworten. Und manchmal waren Regeln eben dazu da, gebrochen zu werden. Sie verließ entschlossen die Hütte und schloss die Tür möglichst leise hinter sich, um Miranda nicht zu wecken. Dann rannte sie die Verandatreppen hinunter und schlug den Pfad ein, der zu Haydens Hütte führte. Er schlief wahrscheinlich noch, aber das war Kylie egal.
Sie kam nur ein paar Schritte weit, als vor ihr jemand hinter den Bäumen hervor trat. Ihr stockte vor Schreck der Atem. Vor allem als sie sah, wer es war.
Ihr kam ein Ausdruck in den Sinn, den ihr Stiefvater manchmal gebraucht hatte, wenn jemand in einer miesen Lage war. Sie steckte bis zum Hals in der Scheiße.
»Ich … es tut mir leid«, murmelte Kylie.
»Versuch ja nicht, dich da rauszureden!«, knurrte Burnett. »Ich will kein einziges Wort von dir hören!«
»Ich wollte doch nur …«
»Das waren schon vier Worte. Ich hab doch gesagt, kein einziges!«, fuhr er sie wütend an und wedelte mit der Hand in der Luft, um seine Aussage zu unterstreichen.
Kylie biss sich auf die Lippe, und jetzt plötzlich kamen ihr die Tränen. Große, dicke Krokodilstränen. Sie schluchzte lautstark und wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht. Verdammt, das konnte doch nicht wahr sein. Wieso hatte das nicht passieren können, als sie vorhin allein war?
»Mit den Tränen erreichst du gar nichts bei mir, junge Dame!« Er zeigte mit dem Finger auf sie. Auch wenn sie seinen Herzschlag nicht checken konnte, um seine Lüge zu enttarnen, so hörte sie es doch in seinem Tonfall. Ihre Tränen ließen ihn ganz und gar nicht kalt. Er war zwar immer noch sauer auf sie, aber seine Stimme war schon viel weicher.
Und zu wissen, dass sie ihn enttäuscht hatte, tat Kylie selbst weh. Genau das, was sie jetzt gebrauchen konnte …
Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper und versuchte, mit dem Weinen aufzuhören. Aber die Tränen flossen weiter. Burnett sagte kein Wort. Er ging nur vor ihr auf und ab.
Auf und ab.
Auf und ab.
Und dabei starrte er sie die ganze Zeit vorwurfsvoll und voller Enttäuschung an. Sie machte Anstalten, zurück zu ihrer Hütte zu gehen, doch Burnett gab ein kehliges Knurren von sich. Das genügte Kylie, um zu wissen, dass er nicht wollte, dass sie sich bewegte. Offenbar bestand ihre Bestrafung darin, dazustehen und die Tatsache zu akzeptieren, dass sie ihn schwer enttäuscht hatte.
Kylie fragte sich plötzlich, ob Lucas sich vorhin genauso gefühlt hatte.
Sie schluckte mühsam. »Ich wollte wirklich nur …«
»Hab ich gesagt, dass du sprechen darfst?« Er marschierte noch dreimal vor ihr auf und ab, als würde er damit Dampf ablassen. »Wo wolltest du hin?«
Als sie ihn nur stumm anschaute, fuhr er sie ungeduldig an: »Los, antworte!«
»Du hast doch gesagt, ich darf nicht sprechen.« Sie wischte sich wieder über die Wange.
»Wo wolltest du hin, Kylie?«
Lieber Gott, sie wusste einfach nicht, was sie sagen sollte. Die Wahrheit durfte er nicht erfahren, sie hatte versprochen, Hayden Yates nicht auffliegen zu lassen.
Ja, sie steckte wirklich bis zum Hals in der Scheiße.
»Wolltest du zu Lucas?«, fragte Burnett.
Kylie nickte zögerlich, spürte aber, wie ihr Herz raste und ihre Lüge verriet.
»Also, war es nicht Lucas.« Burnett hatte ihren Herzschlag offensichtlich richtig gedeutet.
Er kam näher und musterte sie aus dunklen Augen. Für ihren Geschmack etwas zu genau. So aus der Nähe konnte sie die Enttäuschung in seinen Augen noch deutlicher sehen, und sie musste wieder schlucken.
Kylie suchte krampfhaft nach etwas, das sie ihm sagen konnte, was nicht gleich alles auffliegen ließ. Etwas, das keine Lüge war. »Ich wollte nur …«
»Sprich nicht mit mir, wenn du vorhast zu lügen.«
Okay, also würde ihr Herzschlag wohl nicht zulassen, dass sie aus der Sache mit einer Notlüge rauskam.
»Ich will die Wahrheit«, verlangte Burnett. »Wolltest du dich mit deinem Großvater treffen?«
»Nein«, erwiderte Kylie ehrlich und war sehr erleichtert, dass sie nicht lügen musste.
Er musterte sie weiter. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Okay, ich werde dir jetzt eine direkte Frage stellen, und ich will, dass du mit ja oder nein antwortest. Versuch nicht, dich rauszureden. Ich merke es sowieso.« Er hielt inne – entweder, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, oder um sich die richtigen Worte zu überlegen. »Wolltest du zu Hayden Yates?«
Kylies Gedanken rasten. Wie viel wusste
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