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Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)

Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)

Titel: Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Lenox
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Bakterientheorie. Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
    Es erstarb jedoch, als ihm klar wurde, dass mehrere männliche Passagiere sein Mündel anstarrten, offensichtlich genauso fasziniert wie er. Obwohl sie den Kopf nach vorn gebeugt hielt, sodass ihr Hut einen großen Teil ihres Gesichts verbarg, waren ihre vollen, rosigen Lippen deutlich zu sehen. Und schlimmer noch, eine einzelne Locke war unter ihrem Hütchen herausgerutscht und lag auf ihrer Schulter.
    Eine helle, glänzende Locke. Das Haar einer Göttin. Er konnte sich noch immer an den köstlichen Duft erinnern, daran, wie sich dieses Haar anfühlte. Aber er durfte sich nicht gestatten, impulsiv zu handeln. Nicht schon wieder. Er würde ihr gegenüber ehrenhaft sein und die Sicherheit ihrer Zukunft gewährleisten, selbst wenn sie ihn dafür verachtete – ihn am Ende sogar dafür verfluchte. Aber irgendwie hatte er in dieser kurzen Zeit tiefe Zuneigung zu ihr gefasst.
    Sie stieg weder in King’s Cross noch in der Farringdon Street mit einer der beiden älteren Damen aus. Erst als der Schaffner »Aldgate« rief, steckte sie ihr Buch ein.
    Als sich die Türen öffneten, folgte er ihr beim Aussteigen in der Menge. Sein junges Mündel hatte den selbstbewussten, sachlichen Gang einer Frau aus dem East End perfektioniert – einer Frau ohne treuen Beschützer, einer Frau, die zu jeder Zeit auf der Hut sein musste. Sie ging durch den dunklen Bahnhof und schlug energisch die Hand eines Matrosen weg, der sich ihr unverfroren genähert hatte. Weil sie sich so schnell bewegte, unterdrückte Archer den Drang, den jungen Narren zu strafen, und folgte ihr die Treppe auf den überfüllten Gehsteig hinauf.
    Am Straßenrand riefen farbenprächtig gekleidete Marktschreier den soeben ausgestiegenen Fahrgästen etwas zu und lockten mit Peepshows und Taschenspielerkunststücken. Ein alter Mann spielte eine Drehorgel, während sein Affe, ausstaffiert mit Mütze und Weste, mit einem Zinnbecher in der Hand tanzte. Omnibusse, Droschken und Wagen ratterten in beide Richtungen vorbei.
    Elena strebte dem Zentrum von Whitechapel zu. Zuerst nahm er an, ihr Ziel müsste das Hospital sein, aber fast sofort bog sie nach Norden auf die Commercial Street ein. Eine Viertelmeile später ragte die Christ Church über ihnen auf, aber unglücklicherweise ging Elena die Stufen zur Kirche nicht hinauf – sie ging in den Pub auf der anderen Straßenseite.
    Archers Stimmung verdüsterte sich deutlich. Welchen respektablen Grund konnte sein liebreizendes Mündel dafür haben, an einem Sonntagmittag eins der Lokale in Spitalfields aufzusuchen?
    Ein Schwall säuerlichen, abgestandenen Geruchs stieg Elena in die Nase, als sie ins Ten Bells trat. Sie hielt inne und gab ihren Augen einen Moment Zeit, sich an das schwache Licht zu gewöhnen. Die Fenster zu beiden Seiten der Tür trugen wenig dazu bei, das trostlose Innere zu erhellen oder die Gesichter der Gäste zu beleuchten. An einer langen Theke, die sich über die hintere Wand erstreckte, bedienten zwei Schankmägde, die vor einer rot, grün und schmutziggelb gefliesten Wand standen. Eine Anzahl von Tischen und Stühlen stand im Raum, besetzt von einer trostlosen Schar Mittagsgäste.
    Für einen Moment befürchtete sie, dass sie weiter ins Horn of Plenty oder ins Britannia gehen musste, aber obwohl sie weder Lizzy noch Catherine sah, entdeckte sie glücklicherweise das vertraute Gesicht einer Frau, die vielleicht in der Lage war, ihr zu sagen, was sie wissen wollte.
    »Mrs Scott?« Sie schob sich zwischen den Tischen hindurch. »Hallo – erinnern Sie sich an mich? Aus dem Krankenhaus?«
    Mrs Scott hatte fünf stämmige Söhne im Alter von acht bis achtzehn, die jede Arbeit annahmen, die sie finden konnten, sei es Maurerarbeit, Zeitungen austragen oder Stiefelputzen. Während Elenas kurzer Zeit im Hospital hatte sie alle Jungen bis auf einen wegen verschiedener Verletzungen behandelt, aber selten wegen einer Krankheit.
    »Oh – hey … Sie hier, Schwester Whitney? Kommen Sie, setzten Sie sich. Nun kommen Sie schon.«
    Mit dem Absatz ihres Schuhs zog Mrs Scott einen freien Stuhl herbei. Sie saß mit einer jüngeren Frau am Tisch, die adrett in ein schwarzes, langärmliges Kleid gewandet war und einen schwarzen Filzhut trug. Auf dem Tisch vor ihnen standen klobige, irdene Becher, und zwei halb gegessene Fleischpasteten waren in fettige Zeitung eingewickelt.
    »Ihnen beiden einen guten Morgen.« Elena setzte sich und legte ihre Tasche

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