Shadow Killer - Und niemand hoert deinen Schrei
jedoch sofort wieder verschwand.
Becca ihrerseits bemühte sich um einen sanften Ton, während sie zugleich den Blick über den Parkplatz wandern ließ. »Los. Sie wollen reinen Tisch machen, das können Sie nur, wenn Sie mit mir reden. Also schießen Sie los.«
»Ich habe gelogen, als es um den … Mercedes ging.« Sonja kniff die Augen zu und atmete tief ein. »Ich bin in den Wagen eingestiegen … zusammen mit Isabel.«
»Erzählen Sie mir, was passiert ist, Sonja? Und warum Sie mich zuerst belogen haben?«
»Sie sind böse auf mich. Das höre ich Ihrer Stimme an.« Sonja rutschte auf ihrem Sitz herum, umklammerte erneut das Lenkrad und sah sie mit großen Augen an.
»Ich will nur die Wahrheit wissen, weiter nichts«, erklärte Becca ernst. »Erzählen Sie mir von der Fahrt in dem Mercedes. Konzentrieren wir uns darauf, ja?«
Sonja zündete sich die nächste Fluppe an, nach ein paar Zügen wurde sie ein bisschen lockerer. »Isabel hatte alles arrangiert. Wir sind über die I-10 bis zu dem Haus von irgend so einem reichen Kerl gefahren. Allerdings habe ich nicht darauf geachtet, wie wir dorthin gekommen sind.«
Sonjas neueste Version der Wahrheit stimmte mit Rudys Story überein. Becca hatte ihr nicht erzählt, dass Isabels Bruder dem Mercedes über die I-10 bis zu Cavanaughs Anwesen hinterhergefahren war. Endlich fielen ein paar Teile dieses Puzzles an die richtigen Plätze, dachte sie.
»Wir waren nicht im Haupthaus, sondern in dem Haus neben dem Pool. Alles war hell erleuchtet. Eine wirklich geile Party. Jede Menge heißer alter Knacker in teuren Klamotten. Jede Menge junger Frauen, auch ihre Sachen sahen wirklich klasse aus. Ich habe mich dort völlig fremd gefühlt. Mein Kleid war nicht vom Allerfeinsten, aber es war alles, was ich mir leisten konnte. Obwohl wir im Vergleich zu allen anderen Leuten dort noch richtig kleine Mädchen waren, kam ich mir in dem Kleid unglaublich erwachsen vor. Denn wissen Sie, keiner dieser Leute gab uns das Gefühl, auf der Party fehl am Platz zu sein.«
»Scheint ein wirklich nettes Fest gewesen zu sein.«
»Ja, das war es auch. Diese reichen Leute gaben mir das Gefühl, ein echter Star zu sein. Die Kerle haben mit mir geflirtet und mir einen Drink nach dem anderen geholt. Isabel meinte, sie wären immer so. Echte Gentlemen.«
»Wenn Isabel das wusste, muss sie doch schon vorher ab und zu auf solchen Partys gewesen sein.«
Sonja kniff die Augen zusammen und sah sie fragend an. »So muss es wohl gewesen sein, aber darauf bin ich erst im Nachhinein gekommen.«
»Wie ging es dann weiter?«, drängte Becca sie.
»Irgendwann wurde mir schwindelig und schlecht. Wissen Sie, ich dachte, ich hätte ein paar Drinks zu viel gehabt. Aber einer der Typen hat sich um mich gekümmert. Er hat mich in das Haus neben dem Pool gebracht und mich dort auf ein Bett gelegt.«
»Irgendwas muss doch passiert sein. Sie enthalten mir was vor. Warum?«
Eine düstere Erinnerung umwölkte ihr Gesicht. Sonja biss die Zähne aufeinander und wich Beccas Blicken aus. »Weil ich später herausgefunden habe, dass ich … die große Attraktion der Party war. Wissen Sie, sie hatten einen speziellen Raum vorbereitet, nur für mich.«
Sonja setzte ein verwirrtes Lächeln auf und bekam einen seltsam distanzierten Blick. Ihre Zigarette klebte zwischen ihren Fingern und war fast bis zum Filter abgebrannt. Spürte sie denn die Hitze nicht?
»Der Typ fing an, mich auszuziehen. Ich habe nein gesagt, aber er hat nur gelacht. Es waren auch noch andere Männer in dem Raum, die irgendwelche Dinge mit mir gemacht haben. Ich konnte mich nicht wehren. Ich war wie gelähmt.«
Achtlos ließ Sonja den Zigarettenstummel fallen. Auch jetzt wirkte sie wie betäubt, als wäre sie unfähig, auch nur einen Muskel zu bewegen, als stünde sie völlig im Bann der Vergangenheit. Becca löste den Blick trotz der erschütternden Erzählung nicht von dem Parkplatz und dem leeren Areal, das hinter ihnen lag, sie wischte sich den Schweiß von ihrer Hand und umklammerte die Glock.
»Danach habe ich alles nur noch wie durch einen Schleier mitbekommen. All die reichen Männer auf der Party. Ich sah ihre Gesichter, eins nach dem anderen. Sie haben gelacht und auf mich gezeigt. Ein paar von ihnen waren nackt. Ich kann sie noch immer hören«, weinte sie. »Ich habe Alpträume … selbst nach all der Zeit.«
Als sie weitersprach, wurden die Erinnerungen immer grässlicher. Sie war eine verlorene Seele, der jede Achtung vor sich
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