Shadow Killer - Und niemand hoert deinen Schrei
schusssicherer Weste und Windjacke des FBI neben seinem Wagen stand, hob das Nachtsichtgerät vor seine Augen und blickte auf die Lagerhalle, die am Ende der verlassenen Straße lag. Die heiße, schwüle Luft klebte an ihm wie eine zweite Haut. Schweiß rann von seinen Schläfen und aus seinen Achselhöhlen in die Kleider, die er trug. Die dicke Ausrüstung war Teil von seinem Job, er hatte sich an das Gewicht und an das Schwitzen längst gewöhnt.
Der Lkw, mit dem die Polizistin anscheinend gekidnappt worden war, war gesehen worden, wie er in die Lagerhalle fuhr. Der Fahrer hatte entweder den Code oder die Fernbedienung für das schwere Tor gehabt. Draper selbst war nicht dabei gewesen, aber die Kollegen von der Polizei, die dem Laster hinterhergefahren waren, hatten es bezeugt.
Jetzt sah er sich noch einmal in der Umgebung um und lauschte auf das gedämpfte Knistern seines Funkgeräts. Er hatte die Spezialeinheit des FBI für Geiselnahmen angefordert, die Leute sprachen sich im Augenblick mit dem SEK der Polizei von San Antonio ab. Seine Mannschaft war gebrieft und kundschaftete erst einmal die Lagerhalle aus. Seine Leute waren bereits aufgeteilt. Da er als Einsatzleiter zu bestimmen hatte, welche Taktik anzuwenden war, würde niemand seinen Platz verlassen, ehe Draper es befahl.
Mit Zehn-Millimeter-Maschinenpistolen von Heckler & Koch, Nachtsichtgeräten, Sprengstoff zur Beseitigung von Hindernissen sowie jeder Menge Blendgranaten für Ablenkungsmanöver, wenn sie die Halle stürmten, waren seine Leute bestens ausgerüstet, dachte er. Aber schließlich hatten sie dazu auch allen Grund. Draper war der festen Überzeugung, dass die Männer in der Halle bewaffnet und gefährlich waren und dass es dort drinnen sicher mehr als eine Geisel gab.
Sie brauchten nicht mal die Genehmigung zu diesem Einsatz einzuholen, denn bestimmt waren die Leben unschuldiger Menschen in Gefahr.
Die Truppe war bereit zu stürmen, doch er wartete ab. Dies war sein Zuständigkeitsbereich. Sein Fall. Er trug die Verantwortung.
Die Lagerhalle sah nicht anders aus als all die anderen halb verfallenen Drecklöcher in diesem Teil der Stadt. Niemand würde sie eines zweiten Blickes würdigen, wenn er an ihr vorüberfuhr.
Eine Sache aber gab ihm zu denken. Er war vor ein paar Wochen schon einmal hier gewesen, auf einen Tipp von Diego hin. Bei einer verlassenen Fabrik nur ein paar Blocks entfernt. Immer wieder hatten irgendwelche Leute junge Mädchen dort gesehen. In Gesellschaft deutlich älterer Männer, hatten seine Informanten noch hinzugefügt. Was in dieser Gegend wirklich ungewöhnlich war. Die Tipps hatten zu den Dingen gepasst, die Diego ihm berichtet hatte. Wie nah er seinem Ziel damals gewesen war, und wie weit entfernt zugleich.
»Einmal hast du mich ins Knie gefickt«, murmelte er leise, während er sich schwor, in dieser Nacht erfolgreicher zu sein. »Aber zweimal machst du das ganz sicher nicht.«
»Das SEK wartet auf Ihren Befehl zum Einsatz, Sir.« Murphy trat zusammen mit Lieutenant Arturo Santiago von hinten neben ihn. Der ranghöhere Beamte wirkte wie die personifizierte Ruhe vor dem Sturm.
Draper sah Murphys ängstliches Gesicht. Schuldgefühle konnten einen Menschen fressen, wenn er nichts dagegen unternahm. Draper glaubte nicht, dass man mit Schuldgefühlen jemals weiterkam. Santiagos böser Blick jedoch verriet, dass aus seiner Sicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen war. Als Murphy wieder ging und er mit dem Lieutenant alleine war, ergriff er deshalb zuerst das Wort.
»Ich hätte erwartet, Ihren Chef zu sehen. Wo steckt der Mann?«
»Er ist schon unterwegs, ich kann Ihnen versichern, dass er alles andere als glücklich über diese Sache ist.«
»Auch wenn er noch kommt, ist und bleibt das hier meine Operation. Ich will nichts überstürzen. Rebecca ist eine erfahrene Polizistin. Sie weiß, wie diese Sache laufen wird.« Er kehrte Santiago den Rücken zu.
»Vielleicht sind Sie so höflich und klären auch mich noch auf. Ich habe nämlich offenbar den Rundbrief nicht bekommen, in dem es um diesen Einsatz ging.« Santiago baute sich vor Draper auf und sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Falls auch nur die geringste Chance besteht, dass sie da drinnen ist, wird sie gegen ihren Willen in der Halle festgehalten. Dann wurde einer meiner Leute Opfer eines Verbrechens, und angesichts des verdächtigen Treibens, das mitten in der Nacht von hier gemeldet worden ist, haben wir allen
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