Shadow Killer - Und niemand hoert deinen Schrei
nach dem schnellen Dollar abgeschreckt. Was könnten diese Leute schon besitzen, was einen Einbruch lohnenswert erscheinen ließ? Doch sie wusste, dass man auch als armer Mensch nicht sicher war. Kriminelle fielen häufig über arme Menschen her, einfach, weil sie wehrlos waren. Nur selten wandte ein Opfer sich anschließend an die Polizei.
Seufzend stieg Becca aus ihrem Wagen und lenkte ihre Gedanken auf das bevorstehende Gespräch. Sie musste ihre Karten richtig spielen, solange sie nicht wusste, welche Rudys Rolle bei der ganzen Sache war.
Ein Maschendrahtzaun trennte die grünen Flecken vor dem Haus von der Straße ab. Die Überreste eines Rasens kämpften kraftlos gegen Löwenzahn und Unkraut an. Gartenarbeit und Hausreparaturen hatten offensichtlich keinen allzu hohen Stellenwert für die Familie. Aber sie hatten schließlich auch genügend andere Sorgen, dachte Becca, trat mit Stift und Notizbuch in der Hand durch das klapprige Gartentor und machte es wieder hinter sich zu.
Gelbe Plastikbänder flatterten an einem dürren Mesquitebaum und erinnerten an den Verlust, den die Familie erlitten hatte. Genau wie der steinerne Schrein neben der zementierten Veranda, in dem eine Keramikstatue der Jungfrau Maria mit gesenktem Haupt und ausgestreckten Armen stand.
Zu Füßen der Skulptur lagen von Steinen festgehaltene, verwitterte, laminierte Aufnahmen von Isabel.
Einen Augenblick starrte Becca das traurige Mahnmal an. Sie hätte gern gebetet, doch sie brachte die Worte einfach nicht heraus.
»Kann ich etwas für Sie tun?«, fragte eine Stimme mit einem ausgeprägten spanischen Akzent.
Sie machte auf dem Absatz kehrt, und das grell orangefarbene Licht der untergehenden Sonne schien ihr direkt ins Gesicht. Sie kniff die Augen zusammen, schirmte sie zusätzlich mit einer Hand gegen die Sonne ab und entdeckte die Silhouette eines Mannes, der hinter der Fliegentür im Schatten des Hausflurs stand.
Sie zog ihre Dienstmarke hervor und hielt sie ihm hin.
»Ich bin Detective Rebecca Montgomery. Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.«
»Geht es um Isabel?« Jetzt fiel Licht auf sein Gesicht, und Becca holte erst einmal tief Luft.
Es war nicht zu übersehen, dass er ein Verwandter des verschwundenen Mädchens war. Womit sie jedoch nicht gerechnet hatte, war der weiße Kragen, den er trug. Dieser Kragen wies ihn als Priester aus.
»Sind Sie ein Mitglied der Familie, Vater?«
Er hatte durchdringende dunkle Augen, volles, schwarzes Haar, einen dunklen Teint, war mittelgroß und von mittlerer Statur. Obwohl die Ähnlichkeit mit der Familie nicht zu übersehen war, wirkte der Mann aufgrund seines strengen Gesichtsausdrucks wie eine härtere, kantigere Version der jungen Frau, auf deren Bild sie bei ihren Ermittlungen gestoßen war.
»Ich bin Victor Marquez. Isabel … ist … meine Schwester.«
Der Priester wusste offenkundig nicht, ob er die Gegenwart verwenden sollte, wenn er von dem Mädchen sprach. Sie kannte das Gefühl. Statt die Fliegentür zu öffnen, starrte er weiter durch den Draht, als böte der ihm Schutz.
Becca kannte diesen Blick, hatte ihn schon oft gesehen, wenn sie mit schlechten Nachrichten zu den Menschen gekommen war. Nach dem, was ihrer eigenen Schwester widerfahren war, wusste sie aus persönlicher Erfahrung, wie sich die Angst mit einem seltsamen Gefühl von Erleichterung mischte, weil das Hoffen und Bangen endlich vorüber war. Ein herzzerreißender Widerspruch. Obwohl der Priester die Zähne zusammenbiss und sich für ihre nächsten Worte wappnete, konnten seine Augen nicht verbergen, wie schmerzlich ihr Erscheinen für ihn war. Becca hob den Kopf, atmete tief durch und stieg die paar Stufen zur Eingangstür hinauf. Jetzt musste sie die Polizistin sein und nicht das Opfer. Interpretier nicht zu viel in seinen Blick hinein. Er ist nicht dein persönliches Spiegelbild. Bleib objektiv.
Das war leichter gesagt als getan.
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich hereinkomme?«
Einen Augenblick war sie nicht sicher, ob er sie über die Schwelle treten lassen würde. Dann aber ließ er sie ein.
Die Einrichtung des Hauses war spartanisch, aber alles sah sehr sauber aus. Es roch leicht nach Scheuermittel, vor allem aber nach gerösteten Jalapeños und Paprika, offenkundig rührte gerade jemand eine scharfe Salsasauce an. Im Flur brannten ein paar Duftkerzen, und das winzig kleine Wohnzimmer wurde von einem zweiten Schrein für Isabel beherrscht. Das fahle Licht flackernder, roter
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