Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)
ausgreifenden Ästen eines knorrigen schwarzen Walnussbaums und hoffte, dass niemand das Auto bemerken würde. Einen Moment lang blieb er sitzen und sammelte sich. Aus seinen Wunden lief noch immer Blut, aber sie hatten sich beinahe geschlossen. Dafür brannten sie allerdings schmerzhaft. Der hohe Blutverlust machte ihn ein wenig benommen. Er brauchte Nahrung und Ruhe, und er wusste, dass er in nächster Zeit keins von beidem kriegen würde.
Ein schmiedeeiserner Zaun und eine Steinmauer markierten die Grenze von Aulne Rouge. Der innere Bereich war üppig bewachsen und künstlerisch gestaltet. Selange hatte einen Quelle an die Oberfläche gelockt und das Wasser genutzt, um ein grünes Wunderland aus Bäumen und Ranken zu erschaffen.
Er ging an der Mauer entlang, bis er an ein kleines Tor kam. Wer die Pforte passieren wollte und nicht dazu befugt war, wurde in einem schmerzhaften Netz aus Magie gefangen, bis Selange danach war, denjenigen einzusammeln. Hinüberzuspringen kam nicht in Frage. Den Schutzzeichen war es egal, wer versuchte, sich Zutritt zu verschaffen. Sie würden ihn verbrennen wie eine Motte. Alexander lockerte seine Finger. Er nahm an – er hoffte –, dass Selange die Schutzzauber nicht geändert hatte, nachdem er bei dem Wettstreit mit Max verloren hatte. Sie hatte wichtigere Sorgen, und außerdem hatte sie ihn sicher bei Giselle in einer Zelle vermutet. Doch es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
Er streckte die Hand aus und griff nach dem Riegel. Magie kroch zäh und klebrig wie ein Spinnennetz über seine Hand und an seinem Arm empor. Innerhalb von nicht einmal drei Herzschlägen war er von dem Zaubergeflecht umhüllt und konnte sich nicht mehr bewegen.
Er wartete.
Magie schlängelte sich unter seine Haut und kroch an seinen Knochen entlang. Alexander hatte keine Ahnung, wonach sie tastete. Er hatte es nie gewusst. Wenn sie seine Verbindung zu Selange suchte, war das Spiel aus. Doch nicht nur die Bewohner und die Angehörigen des Zirkels benutzten dieses Tor, und darauf setzte er.
Die Sekunden vergingen. Er hielt den Atem an. Plötzlich zog die Magie sich zurück und hinterließ nur ein leichtes Jucken. Kurz wurden Alexander die Knie weich, doch er sammelte sich und zog das Tor auf. Schnell schlüpfte er hindurch und ließ es hinter sich zufallen. Der Rückweg würde leichter sein. Selange verschwendete die Kräfte des Zirkels nicht auf Schutzzauber, die die Leute drinnen festhielten.
Die wilden Gärten boten ihm ausreichend Deckung. Mehr als einmal hielt er inne, weil er glaubte, dass ihn jemand beobachtete. Es war ein kribbelndes Gefühl auf der Haut, ähnlich wie das heiße Prickeln, das ein nahendes Gewitter ankündigte. Jedes Mal wartete er ab, und der Eindruck verflog wieder. Er hatte keine Ahnung, wer ihn verfolgte. Selanges Shadowblades waren alle in San Diego.
Er hielt sich möglichst abseits der Wege und schob sich langsam und beinahe lautlos durchs dichte Unterholz. Die nächtlichen Vögel beachteten ihn nicht und schwatzten und schnatterten aufeinander ein wie alte Klatschweiber. Insekten surrten durch die feuchte Luft. Der Duft von Gardenien und Orangenblüten vermischte sich mit dem Rauch. Das genügte, um die Fährte von Schweiß und Blut, die er hinterließ, zu überdecken. Wer immer ihn jagte, musste sehr nah herankommen, um ihn zu wittern.
Schließlich erreichte er den Eingang zur Hauptanlage. Eine glatte Felswand, die durch Magie geformt worden war, ragte aus dem Boden empor. In sie eingelassen war eine braune Metalltür. Jeder andere hätte nur den Stein wahrgenommen: Alexander hatte Selange geraten, die Tür mit einem Illusionszauber zu belegen. Dies war im Fall eines Angriffs ein schneller Fluchtweg. Auf der anderen Seite davon führte ein Flur direkt zu Alexanders Quartier, das unter Selanges Gemächern lag und durch einen senkrechten Schacht mit ihnen verbunden war. Die Gefängniszellen befanden sich kaum dreißig Meter von seinem Zimmer entfernt auf der gleichen Ebene. So hatte Selange leichten Zugang zu ihren Gefangenen, und Alexander war in der Nähe und konnte im Notfall schnell zur Stelle sein.
Die Tür war nicht mit Schutzzaubern versehen. Stattdessen war sie auf solche Art verschlossen, dass nur Alexander sie öffnen konnte. Er drückte die gespreizten Hände gegen das Metall und ließ seine Sinne dort in die Tür eindringen, wo acht Titanstangen sie in der Wand verankerten. Es gab keinen Türgriff und keinen äußeren Mechanismus, um sie zu
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