Shadowdwellers - Frank, J: Shadowdwellers
streichelte sie mit sanfter Selbstgewissheit. »Ich lasse deinen Vater nicht sterben, Trace.«
Und in diesem kurzen Moment glaubte er ihr beinahe.
Ashla hatte Angst, doch das war normal, und es war auch nicht die lähmende Angst, die sie sonst verspürte. Vielleicht, weil diese Sache, die sie in sich trug, zum ersten Mal in ihrem Leben kein böser Fluch mehr war. Nachdem sie Trace schon zweimal das Leben gerettet hatte, war sie sogar zum ersten Mal in ihrem Leben dankbar dafür. Trace hatte ihr ebenfalls das Leben gerettet – und er tat es noch immer. Seine umsichtige Fürsorge und sein überbordendes Verlangen nach ihr veränderte sie mit jedem Tag. So wie Dunkelheit und Nahrung ihren hungernden Körper veränderten, veränderte seine Zuneigung und seine wohlmeinende Forderung, sie solle sich selbst so respektieren, wie er sie respektierte, ihr Gemüt.
Je mehr Zeit sie außerdem mit Magnus verbrachte, desto besser verstand sie die Dynamik, die aus seinem Zögling einen so guten Charakter gemacht hatte. Er war ausgesprochen freundlich und geduldig mit ihr gewesen, während sie ihn in den letzten Wochen mit Fragen gelöchert hatte. Weder er noch sonst jemand im Sanktuarium hatte sich jemals beschwert. Er hatte ihr ganz eindeutig den Vorzug gegeben, obwohl sie nicht verstand, weshalb ein so bedeutender Mann einem kranken Halbblut so viel Aufmerksamkeit widmete. Sie war sicher, dass K’yan Karri oder eine andere Dienerin genauso gute Dienste geleistet hätten.
Sie hielt Trace’ Hand fest, weil sie spürte, wie sehr er jeden noch so kleinen Trost brauchen konnte. Schon diese kleine körperliche Verbindung ermöglichte es ihr, seinen Gefühlssturm zu spüren. Es war nicht nur die Furcht, die sie gesehen hatte, sondern auch eine ungeheure Schuld und eine ganze Menge Wut. Er fühlte sich irgendwie verantwortlich. Da sie wusste, dass er nie etwas täte, was Magnus schaden würde, fragte sie sich, warum.
Doch es würde wieder in Ordnung kommen, und es gab ihr ein ruhiges und gutes Gefühl, weil sie etwas dazu beitragen konnte. Sie würde Magnus heilen, und alles wäre gut. Vielleicht würde es ihr danach wieder ein paar Tage schlecht gehen, doch das wäre es wert, wenn sie Trace etwas zurückgeben könnte, wo er ihr doch schon so viel gegeben hatte.
Sie war schon einmal im Palast gewesen, doch sie war noch immer überwältigt von der Erhabenheit. Der Eingang hatte einen unbestimmbaren schlammfarbenen Putz, um die von den Minenarbeitern vor langer Zeit in der Hast hinterlassenen menschengemachten Spuren abzumildern, doch sobald man über die Schwelle trat, kam es den prachtvollsten und überwältigendsten Gebäuden in der menschlichen Welt gleich. So hatte sie sich immer das Tadsch Mahal von innen vorgestellt. Sie hatte bisher immer nur atemberaubende Bilder von außen gesehen, doch die elegant geformten Minarette und die in kunstvollem Kontrast gestalteten Intarsien aus Gold und Marmor sahen ganz ähnlich aus wie die Gänge, die sie jetzt entlangeilten, nur dass diese viel dunkler waren.
Die Lage in Trace’ Arbeitszimmer hatte sich während seiner Abwesenheit dramatisch verschlimmert. Das stand denen, die dort geblieben waren, ins Gesicht geschrieben, als sie zu dem hereinstürmenden Trace aufblickten. Ashla spürte, wie ihm der Mut sank, und sie hatte sogar den Geschmack seiner Furcht auf der Zunge. Er riss sie beinahe mit sich, als er sich neben Magnus zu Boden sinken ließ.
Die Gesichtsfarbe des Priesters war erschreckend bleich. Er war von ungesundem Schweiß überzogen und zitterte heftig. Er kämpfte darum, bei Bewusstsein zu bleiben, was ihm nur dank seines Stolzes gelang. Sein Körper wollte sich am liebsten zusammenrollen, doch Magnus widerstand dem Bedürfnis. Immerhin hatte er Malaya erlaubt, seinen Kopf in ihren Schoß zu betten, und ihre Berührung war der einzige Trost, den er finden konnte. Er war wütend auf sich selbst, weil er so gnadenlos dumm gewesen war. Er hätte damit rechnen müssen, dass jemand, der so niederträchtig war und einen Auftragsmörder einsetzte, zu einem so hinterhältigen Trick greifen würde. Doch er hatte die Vorstellung, dass es unter seinem Dach Verschwörer gab, zu lange von sich gewiesen. Er hatte Energie darauf verschwendet, herauszufinden, ob es vielleicht eine andere Erklärung dafür gab. Er hatte missmutig in der Schmiede gestanden und voller Wut das neue Schwert seines Sohnes geformt, als hätten seine Schnelligkeit und seine Gereiztheit der Klinge die Fähigkeit
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