Shadowdwellers - Frank, J: Shadowdwellers
verleihen können, dort ein Schutz zu sein, wo er versagte.
Er fluchte leise, als sein Sohn die kleine blonde Heilerin neben sich zu Boden zog. Er wollte das nicht. Er wollte lieber sterben, als für den Tod einer Unschuldigen verantwortlich zu sein. Das Blut, das schmerzhaft durch seine Adern pumpte, sagte ihm, wie einzigartig diese Waffe in ihm war. Trace war verrückt, wenn er glaubte, dass ein so zartes Wesen etwas so Teuflisches aushalten könne.
Doch bevor Magnus protestieren konnte, schlug das Gift seine Klauen in sein verwundbares Gehirn und löste einen Anfall aus.
»Beim heiligen Licht! Drenna , rette ihn!«, rief Malaya aus, als diese Überfigur ihrer geistigen Welt so heftige Muskelkrämpfe bekam, dass sie jeden Augenblick damit rechnete, das Geräusch von brechenden Knochen zu hören. Sie schützte seinen Kopf, während die Männer ihn festhielten. Der Boden unter ihnen war so hart! So schmerzhaft hart, dachte sie verzweifelt. Doch keiner von ihnen konnte es verhindern. Nicht einmal Guin, ihr starker Beschützer; nicht Trace, ihr zuverlässiger Ratgeber, der sonst immer eine Lösung fand. Und auch sie nicht mit ihren nutzlosen Visionen; sie hatte es kommen sehen und war trotzdem unfähig gewesen, es zu begreifen. Sie hatte Guins Gesicht gesehen, doch es war gar nicht Guin gewesen. Der Akt des Kniens war die typische Haltung beim Beten, zu der Magnus sie so oft angehalten hatte. Bestimmt hatte Magnus den Verräter gefunden, und nun lag er hier vor ihr. Wenn er starb, würde das der stärksten Institution in ihrer Kultur buchstäblich das Haupt abtrennen. Schon jetzt spürte sie in ihrem Herzen die Schockwelle und die zerstörerische Kraft, welche diese Vergiftung auslösen konnte, jetzt, wo Betrüger im Tempel waren.
Sie blickte auf und suchte nach ihrem Zwillingsbruder, der ebenfalls gekommen war. Die Kanzlerin wusste, dass er ihr direkt ins Herz schauen konnte, denn sein sonst so ruhiger Blick war alles andere als ruhig. Im Bruchteil einer Sekunde war er bei ihr. Alle waren auf Magnus konzentriert, doch Tristan vergrub seine Hände in ihrem Haar und zwang sie, ihn anzuschauen. Noch einer ihrer wichtigen Männer vor ihr auf den Knien.
»Es wird uns nicht bezwingen«, flüsterte er grimmig, und seine Augen, die den ihren so sehr glichen, zeigten die entschlossene Willenskraft, die in ihr zu zerbrechen drohte. Er übertrug sie mit aller Kraft auf sie, während er ihren Kopf mit beiden Händen festhielt. »Wir lassen nicht zu, dass das zerstört wird, was wir geschaffen haben. Klar? Sedna, istu veenima, K’yatsume . Hörst du mich, Liebes?«
»Ja, Tristan, bitte hilf ihm.«
Tristan wusste, er konnte es nicht. Die Erkenntnis, dass er seine Schwester im Stich ließ, als sie ihn zweifellos am meisten brauchte, bedrückte und demütigte ihn. Er konnte nur ebenfalls seine dunklen Hände auf den sterbenden Mann vor ihr legen und sich mit allen zusammentun, die aufzuhalten versuchten, was nun kommen würde.
Zwischen den vielen dunklen Händen und sienafarbenen Armen waren allerdings zwei helle. Der Kontrast war überdeutlich. Ashla knöpfte ihm rasch das Hemd auf und schlug es zurück. Dann drehte sie sich zu ihrem Geliebten um und streckte einfach die Hand aus. Er hielt das Tanto ˉ schon bereit und ließ den Griff vorsichtig in ihre Hand gleiten.
Die Klinge machte sie nervös, doch sie zerschnitt den Stoff des Unterhemds, das er noch unter dem Hemd trug, wie Luft. Rasch gab sie es ihm zurück, um Magnus’ zuckenden Körper nicht zu verletzen.
Die Schattenbewohner sahen ängstlich, gebannt und hoffnungsvoll zu, wie Ashla sich aus dem Sari der Dienerin schälte, den sie trug. Jetzt hatte sie nur noch eine Kurzbluse und einen Rock an, den sie sogleich über die Oberschenkel hochzog. Sie schwang ein Bein über den Priester und setzte sich auf ihn.
»Nein! Tu das nicht!« Alle blickten auf, als K’yan Karri hereinstürzte. »Bring dich nicht in Gefahr, Anai Ashla! Lass mich das machen! Magnus würde es sich nie verzeihen, wenn dir etwas passiert!« Mit ihrer Kräuterkiste in der Hand kam sie herbeigeeilt und kniete sich ebenfalls hin. »Bitte! Ajai Trace, ich flehe dich an! Ich werde ihn nicht sterben lassen, und deine Frau bleibt verschont! Vertrau mir!«
Vertraue keinem !
Trace wäre hin- und hergerissen gewesen, wenn Magnus’ letzte Worte sich ihm nicht so eingebrannt hätten. Es widerstrebte ihm, Karri nicht zu trauen. Sie war wie eine Mutter für ihn, und ihre Nähe zu Magnus war so natürlich
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