Shakespeares ruhelose Welt
vorzubereiten. Andere, wie der Kirchenmann William Harrison, waren der Meinung, dass Degen und Dolch die Risiken bürgerlicher Gewalt unter kampfbesessenen Männern unnötig erhöhten, die «stets zwei Dolche und zwei Degen in einer Scheide mit sich herumtragen, mit denen sich in jeder betrunkenen Schlägerei bekanntlich viel Unheil anrichten lässt.» Um solche gewalttätigen Raufhändel einzudämmen, begrenzte ein englisches Gesetz von 1562 die Länge der Degenklinge: Solche, die länger waren als ein Yard (gut 90 Zentimeter), wurden am Stadttor zerbrochen. Doch hat das offenbar kaum etwas bewirkt. Ganz ähnlich könnte man sagen, man dürfe nur kleine Handfeuerwaffen tragen. Andere Gesetze hatten mehr Erfolg. So heißt es in einer Proklamation aus dem Jahr 1573:
«Niemand soll Sporen, Schwerter, Stoßdegen, Dolche, irische Kurzschwerter, Hirschfänger, Degengehenke oder Waffengürtel tragen, weder vergoldet noch versilbert oder damasziert … ausgenommen Ritter und Freiherrnsöhne und andere höheren Ranges und Herkunft.»
Allerdings wurden solche Vorschriften weithin missachtet, und so gut wie jeder erwachsene Mann trug zumindest einen Dolch.
Ähnlich wie das Publikum heute Boxkämpfe liebt, so waren die Duelle, die Elisabethaner auf der Bühne zu sehen bekamen, äußerst beliebte Spektakel, und abgesehen von seltenen Spezialeffekten (wie den Pfeilen in Cliffords Hals in Heinrich VI., Teil III ), benutzten die Schauspieler echte Waffen: Im Tageslicht unter freiem Himmel erwiesen sich die Fechtszenen als besonderer Publikumsmagnet, so auch für das Globe . Einige Schauspieler bildeten sich zu exzellenten Fechtern aus; auch der große Komödiant Richard Tarleton, der ein elisabethanisches Publikum zur Hysterie treiben konnte, wenn nur sein Gesicht auf der Bühne auftauchte, wurde zu einem Meister der Fechtkunst; ein Titel, den bekam, wer sieben anerkannte Meisterfechter in Wettkämpfen besiegt hatte. Es sind insgesamt über ein Dutzend Stücke, in denen Shakespeare in den Bühnenanweisungen oder in der Handlung selbst Degenszenen vorsieht – darunter die großen Duelle zwischen Hal und Hotspur in Heinrich IV. Teil III , zwischen Hamlet und Laertes, die Kämpfe in Heinrich V. oder eben die Degenszenen in Romeo und Julia . Auch komödiantische Duelle, wie das zwischen Sir Andrew Aguecheek und Sebastian in Was ihr wollt , waren regelrechte Bühnenschlager. Einen wirklichen Kampf wie den zwischen Hamlet und Laertes zu erleben, war ein gutes Geschäft – zahle eins, bekomme zwei: Geboten wurde nicht nur Shakespeares neuestes Stück, sondern auch ein exzellentes Duell, für das alleine die Zuschauer ihren Eintritt mit Freuden gezahlt hätten. Tatsächlich kündigten die Theater, wenn sie gerade keine Stücke auf die Bühne brachten, stattdessen Schwertkämpfe an.
Unter den Zuschauern, die zu Hamlet kamen, waren gewiss viele junge Männer, die Degen und Dolch trugen – die gleichen, die sie auf der Bühne sahen. Kaum erstaunlich, wenn sie im wirklichen Leben nachspielten, was auf der Bühne vorgeführt wurde. Unter feinen Herren in der Stadt galt es, so ein Bericht von 1600, als schick, den berühmten Burbage in der Rolle Richards III. nachzuahmen, der «die Hand beständig am Dolch» hatte. Auch im Theater kam es, aus nichtigen Anlässen, zu Duellen unter Zuschauern, beispielsweise als ein junger irischer Lord der Countess of Essexim Blackfriars die Sicht versperrte und damit ein Duell mit ihrem Begleiter provozierte.
«The Thyrde Dayes Discourse, of Rapier and Dagger», aus: Vincentio Saviolo his Practise, 1595. Dieses Handbuch veröffentlichte der italienische Fechtmeister, der 1590 nach London kam, und eine Schule gründete. Seine Techniken und Terminologie werden in Romeo und Julia zitiert.
Willem van Swanenburg , Die Fechtschule der Universität Leiden, 1620. Dieser holländische Druck zeigt, wie es zur Shakespearezeit in den diversen Fechtschulen Londons zuging, auch bei Silver und Saviolo.
Unausweichlich wurden auch Schauspieler und Stückeschreiber in die Händel jenseits der Bühne verwickelt. Der bekannteste Zwischenfall war das Messer, das 1593 durch eine Kneipe flog und Shakespeares Freund Christopher Marlowe tötete; doch gab es um diese Zeit zahlreiche weitere Opfer aus der Theaterwelt. Gabriel Spencer, ein aufsteigender Schauspieler der Admiral’s Men tötete 1596 einen Mann im Kampf, zwei Jahre wurde er später selbst getötet: in einem Duell mit dem Autor Ben Jonson, auch er ein guter
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