Shakespeares ruhelose Welt
Freund Shakespeares. Philip Henslowe, der Impresario, berichtet dem Schauspieler Edward Alleyn von diesem Zwischenfall:
«Nun will ich dir, damit du das Neueste erfährst, etwas erzählen, doch fällt es mir recht schwer; seit du bei mir warst, habe ich einen aus meiner Kompagnie verloren, nämlich Gabriel, denn er fiel in Hoxton Fields durch die Hand des Benjamin Jonson; wie gerne hätte ich darum ein wenig deines Beistands, wenn ich könnte.»
Jonson wurde des Mordes angeklagt, doch plädierte er auf das Benefit of Clergy, das Vorrecht von Geistlichen und Schriftkundigen, mit dem sich von der weltlichen Gerichtsbarkeit verhängte Todesstrafen abwenden ließen. Als begnadigter Gesetzesbrecher wurde er am Daumen mit einem T für Tyburn, dem Galgenplatz, gebrandmarkt.
Sobald es ums Fechten ging, imitierte das Leben die Kunst, wie umgekehrt die Kunst das Leben. So kann es uns eigentlich kaum überraschen zu erfahren, dass ein Mann namens William Wayte 1596 behauptet hat, vor dem Swan seien vier Angreifer auf ihn losgegangen; er habe, wie er vor dem Court of Queen’s Bench schwor, «den Tod fürchten» müssen. Unter den Beschuldigten war der Autor von Romeo und Julia , ein gewisser William Shakespeare.
Kapitel Sechs
Europa: Siege der Vergangenheit
Kampfausrüstung Heinrichs V.
«KÖNIG HEINRICH: Noch einmal stürmt, noch einmal, lieben Freunde! Sonst füllt mit toten Englischen die Mauer!»
V or einer Generation hat Laurence Olivier die Figur Heinrichs V. geschaffen, wie ihn heute jeder kennt: in einem Film, der während des Zweiten Weltkriegs gedreht wurde. Olivier zeigt Heinrich als stattlichen, heldenhaften Engländer, der sein Volk in die Schlacht führt:
«KÖNIG HEINRICH: [Nichts kann im Frieden einen Mann so gut]
Als Demut und bescheidne Stille kleiden;
Doch bläst des Krieges Wetter euch ins Ohr,
Dann ahmt den Tiger nach in seinem Tun;
Spannt eure Sehnen, ruft das Blut herbei,
Entstellt die liebliche Natur mit Wut …»
Für ein Land, das sich im Krieg befand, war Shakespeares mitreißender junger König eine begeisternde Gestalt: ein Herrscher, der sich unters gemeine Volk mischt, am Vorabend der Schlacht durchs Lager seiner Soldaten streift, alle sehen den «leichten Abriss Heinrichs in der Nacht». Die ganze Nation steht vereint in Waffen, wird zur großen Familie, ein Bund von Brüdern:
Laurence Olivier als Heinrich V., Film von 1943/44. Eine Generation lang bestimmte Oliviers Darstellung die Vorstellungen der Engländer von diesem König.
«Denn welcher heut sein Blut mit mir vergießt,
Der wird mein Bruder; sei er noch so niedrig,
Der heut’ge Tag wird adeln seinen Stand.»
Gegen alle Wahrscheinlichkeit führt der junge Held seine Männer zum Sieg gegen Frankreich, zuerst in Harfleur, dann bei Agincourt.
«KÖNIG HEINRICH: Ich seh’ euch stehn, wie Jagdhund’ an der Leine,
Gerichtet auf den Sprung; das Wild ist auf,
Folgt eurem Mute, und bei diesem Sturm
Ruft: ‹Gott mit Heinrich! England! Sankt Georg!›»
Im Krypta-Museum von Westminster Abbey sind einige der Ausrüstungsstücke erhalten, wie sie Heinrich gebraucht haben wird. Vielleicht hat er sie sogar tatsächlich benutzt, als er, 1415, seine «Jagdhunde» von der Leine ließ und in die Schlacht von Agincourt führte: Einen ramponierten Schild,ein Schwert mit Scharten, einen derben Helm und einen Sattel für ein Streitross. Bekannt sind sie als funeral achievements Heinrichs V., als seine heraldischen Insignien, bestehend aus Wappen, Waffen und Fahnen eines mittelalterlichen Herrschers, die dem Brauch folgend über seinem Grab gezeigt wurden. Heinrichs Schild ist aus Lindenholz, hat die Form eines Spatens, ist aber wesentlich größer, etwa 60 Zentimeter hoch und rund gebogen als Schutz für den Leib seines Trägers. Das Schwert ist mächtig und schmucklos, eine gut 90 Zentimeter lange, grobe Waffe. Der hölzerne Sattel zeigt noch etwas von seiner ursprünglichen Rupfenpolsterung und vom Lederbezug; der dunkle Metallhelm ist zerbeult, sein Goldrand aber erhalten.
Das Grab Heinrichs V. in Westminster Abbey. Es lag, wie er es wollte, nahe beim Grab von Eduard dem Bekenner. Die Grabskulptur ist eine moderne Rekonstruktion.
Jahrhundertelang ist dieses Kriegsgerät, in Westminster Abbey über Heinrichs Grab aufgehängt, für alle sichtbar gezeigt worden; die Armatur gehörte auf ihre Art zu den Requisiten der großen Schaubühne nationaler Geschichte, zu der die alte Abteikirche wurde – Embleme des Königtums, militärischer
Weitere Kostenlose Bücher