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Shakespeares ruhelose Welt

Shakespeares ruhelose Welt

Titel: Shakespeares ruhelose Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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Londons Arbeiter ablehnten – sie hatten auch etwas gegen die Uhrmacher. Geschickte protestantische Flüchtlinge wie Vallin wurden von Elisabeths Regierung willkommen geheißen, was ihnen aber noch lange keine angenehme Zeit bescherte – eine Erfahrung, wie sie Asylsuchende wohl stets machen. Die Flamen und die Franzosen waren zwei Gruppen von «Ausländern», strangers nannte man sie, und ausdauerndsten Widerstand erfuhren sie seitens der Lehrjungen und Gesellen, die wiederum am Hof durch Sir Walter Raleigh und andere Unterstützung fanden. 1593 wurde eine Serie feindseliger «Klageschriften» an die Wände der holländischen Kirche in Austin Friars gepinnt, in der Vallin drei Jahre zuvor getraut worden war:
«Sieht denn die Welt nicht, dass ihr garstigen Unmenschen, ihr Belgier, besser gesagt, ihr besoffenen Drohnen, und ihr, feige Flamen, und ihr, betrügerische Hehler von Franzosen, durch eure feige Flucht eure Geburtsländer verlassen und sie euren begierigen feigen Feinden in die Hand gegeben habt, dass ihr euch durch heuchlerische Scheinheiligkeit und falsches religiöses Gebaren auf einen äußerst ertragreichen Boden verpflanzt habt, unter eine äußerst huldreiche und gnädige Regentin, die zu deren großem Missvergnügen ihre angestammten Untertanen dazu gebracht hat, dass sie euch ertragen, euch, die ihr in besserer Obhut und größerer Freiheit lebt als ihr eigenes Volk? Doch alle Flamen und Franzosen sollen wissen, was nun folgt: Nämlich dass es da zu viel empfindlichem Hauen und Stechen kommen wird. Lehrlinge werden sich zusammenraufen bis zur Zahl 2336. Und alle Lehrlinge und Gesellen werden die Flamen und Fremdlinge bezwingen.»
    Geht diese bedrohliche Tirade, ruchlosester Rassisten würdig, über heutige fremdenfeindliche Graffiti hinaus? Es gibt keinen Bericht über einen Angriff von 2336 Lehrlingen auf eingewanderte flämische Handwerker. Wir wissen auch nicht, ob Nicholas Vallin selbst solche Übergriffe erlebt hat. Doch dergleichenbestimmte die Welt, in der er arbeitete, in der seine Uhr entstand – Shakespeares Welt. Jedenfalls lebte Vallin, nachdem er die Uhr fertig hatte, nicht mehr lange: Er starb während der großen Pest von 1603, zusammen mit seinem Vater, mit zweien seiner drei Töchter und zwei Uhrmachergesellen, die damals für ihn arbeiteten: ein ganzer Haushalt war auf einen Schlag verwaist.

    Agas, Stadtplan von London (um 1562); zu sehen ist, als S. Augusti gekennzeichnet, die Holländische Kirche in der ehemaligen Austin Friars Priory in der Broad Street, dem Gotteshaus flämischer und holländischer Immigranten seit etwa 1550 .
    So wurden die Menschen an ihre Sterblichkeit erinnert; noch immer auf dem Thron, erschien Königin Elisabeth dagegen als ein Bild von Zeitlosigkeit. In einem Gedicht, das Shakespeare zugeschrieben wird und das er als Epilog zu einem Stück, das am Fasnachtsdienstag 1599 aufgeführt wurde, selbst vorgetragen haben soll, spricht er die Königin an, die nun hoch in ihren Sechzigern war. Er vergleicht sie mit einer Uhr, wie Richard II. sich selbst – genauer mit einem Zifferblatt, einem unwandelbaren beständigen Hintergrund, gegen den er die Leben ihrer vergänglichen Untertanen stellt, wie immer während wandernde Zeiger:
«Wie der Sonnenuhren Zeiger stets
Die Stunden weist, die er hatt’ zuvor,
Ruhig neu beginnend, wo er endet,
Sicher wiederkehrend sein Bericht,
So, höchst mächt’ge Königin, so beten wir,
Führe du, wie Tag um Tag die Sonnenuhr,
Uns der Zeiten Folge an.
Erneure, was als altes ging,
Damit das Kindchen, so jung noch
und seiner Zung’ nicht mächtig,
Bei vielen Festen hier sich möge neigen
Vor dieser Kaiserin, so wie hiermit ich,
Mögen so die Kinder dieser Lords,
Die in königlichen Räten wirken,
Nun ernst und weise selbst, erscheinen
Hier vor ihr, die schon der Väter Königin.
Und wie ich diesen Wunsch erneure,
Mög’ mit ‹Amen› ihn der Himmel siegeln.»
    Elisabeth hatte Glück. Sie lebte bis ins hohe Alter. Viele ihrer Untertanen hatten dieses Glück nicht. Sie wurden Opfer der entsetzlichsten aller Krankheiten jener Zeit – der Pest. Sie ist Thema des folgenden Kapitels.



Kapitel Siebzehn
    Die Pest und die Theater
    Pestproklamationen
    I m Jahr 1564 starb, wie wir in Kapitel Zwei erfahren haben, ein Viertel der Einwohner von Stratford-upon-Avon an der Pest. Unter denen, die davonkamen, war auch der kleine William Shakespeare; eine andere Familie in der Straße, in der er im April dieses Jahres zur Welt gekommen war,

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