Shakran
wurde ernst. »Poppet, an so einem Job zerbrechen sogar zähe Burschen. Und ich hasse den Gedanken, dir könnte was passieren. Deine Maman hätte es sicher auch nicht gewollt.«
»Ich will es wegen uns machen. Hauptsächlich wegen Maman. Und ich habe auch ständig Angst um dich. Was ist mit Kuwait? Wird es Krieg geben, wirst du dabei sein?«
Ihr Vater lehnte sich zurück. Seine Hände umschlossen ein großes Glas Wasser. Tropfen liefen außen hinunter. Er trug immer noch seinen Ehering. Um ihren Hals hing der Ring ihrer Mutter.
Er sah sie mit diesen unmöglich grünen Augen an. »Kleines, das ist mein Job. Aber wenn es dich beruhigt ... Ich habe einer Versetzung zugestimmt. Ab September fliege ich einen Schreibtisch.«
Sie war beruhigt. Jetzt konnte ihm nichts mehr passieren ...
Ann saß in der Hotelbar und weinte. Sie hatte keine Ahnung, wieso sie es wusste. Sie wusste nur, dass sie sich damals getäuscht hatte. Es war ihm etwas passiert. Und ihr Vater hatte recht behalten.
Sie war an den Dingen zerbrochen, und es hatte keinen Sinn, sich etwas vorzumachen. Sie war nicht die große Heldin, sie konnte von Glück sagen, dass sie noch lebte. Wahrscheinlich war es besser, alles hinzuschmeißen und zu verschwinden.
Ann Mankowitz war auch nicht echter als Andrea Weston. Sie konnte ein neues Leben anfangen. Andrea war Dolmetscherin. Auch ein interessanter Job. Sie wusste nicht, wie gut sie Japanisch konnte, aber bestimmt gab es irgendwo einen Bedarf dafür.
Ihr Handy klingelte, sie zuckte zusammen. Es war neu, keiner kannte die Nummer. Sie sah es an, als wäre es eine giftige Schlange, die sie beißen könnte.
Dann ging sie doch ran. »Ja?«
»Chet hier. Sorry wegen vorhin, aber ich wollte mich mit dir nicht vom Büro aus unterhalten. Wie geht es dir?«
Chet Kramer. Seine Stimme klang immer noch so warm wie damals. Ein riesengroßer Stein fiel ihr vom Herzen. Aber ...
»Woher hast du meine Nummer? Sie wird nicht angezeigt ...«
»Normalerweise nicht. Aber du hast mich im Revier angerufen. Wir kriegen alle Nummern angezeigt.«
Merk dir das, registrierte Juliet sachlich. Es hat sich einiges verändert in den letzten acht Jahren. So ein Fehler kann dich umbringen.
»Wieder was gelernt«, sagte sie nur.
»Wie geht es dir?«, fragte er wieder.
»Ganz gut. Gesundheitlich. Aber ich habe Probleme, Chet.«
»Dafür hat man Freunde.«
Ann schluckte. »Es tut mir leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe«, sagte sie leise.
»Macht nichts. Was kann ich für dich tun?«
»Ich würde mich gern mit dir unterhalten. Privat.«
»Inoffiziell? Ann, das FBI sucht dich.«
»Ist das ein Problem?«
Kramer überlegte nicht lange. Er lachte. »Die meisten können mir den Buckel runterrutschen. Wann?«
»Jetzt?«
»Okay. Wo?«
Ann nannte ihm den Namen des Hotels. »Ich bin in der Bar.«
»Ich brauche zwanzig Minuten, maximal.«
Ann legte auf und lehnte sich zurück. Ihre Hände waren feucht. Sie hatte Angst. Wollte am liebsten weglaufen. Aber irgendjemandem musste man doch vertrauen können ... Jetzt musste sie nur noch warten.
Der Pianist spielte Claire de Lune ... Diesmal kam die Erinnerung mit der Macht eines Dampfhammers. Der Raum war groß und hoch, mindestens zwei Stockwerke. Die Decke war mit Stuck verziert, Kronleuchter hingen herunter. Die Männer und Frauen waren festlich gekleidet, livrierte Kellner reichten Champagner. Das Buffet war üppig. Gedämpfte Stimmen. Der Konzertflügel dominierte den Raum, genauso wie die schlanke Gestalt, die hinter den Tasten saß. Rothaarig, in einem Kleid, das Juliet für sie ausgesucht hatte. Sie lachte, sie war glücklich.
Juliet stand in einer Ecke. Chester, ihr liebster Aufpasser, stand neben ihr, hatte ihr gerade mit einem Lächeln ein Glas Orangensaft mit ganz wenig Champagner gegeben. Sie durfte heute aufbleiben, bis Papa kam. Maman sah zu ihr herüber und zwinkerte ihr zu. Maman war die Hauptperson heute, sie hatte irgendetwas gemacht, was alle Leute toll fanden. Einige gratulierten ihr. Aber sie nahm das alles nicht ernst.
Hoffentlich würde Papa bald kommen. Maman war immer glücklich, wenn Papa kam.
Maman warf ihr einen Handkuss zu, sie spielte Claire de Lune, Juliets Lieblingsstück.
Chester neigte plötzlich den Kopf und hielt einen Finger an den Knopf, den er immer im Ohr trug.
»Verdammte Scheiße!«
Juliet wollte ihm gerade sagen, dass es verboten war, so etwas zu sagen ... aber er ignorierte sie. Er sah hinüber zu den großen Fenstern, die
Weitere Kostenlose Bücher