Shampoo Planet
»Sie geht nicht ans Telefon, und ich habe ihr ungefähr fünfzig Messages hinterlassen - also mehr kann ich wirklich nicht tun. Es wäre alles nicht so gekommen, wenn sie nicht so übertrieben reagiert hätte.«
»Niemand klagt irgend jemanden wegen irgend etwas an, Ty«, sagt Harmonie. »Also bleib cool.«
»Ich glaube, sie fehlt dir immer noch«, sagt Skye, woraufhin ich ihr entgegne, sie solle sich da gefälligst raushalten.
»Wann verläßt unsere Frenchie wieder die Stadt?« fragt Pony.
»Nächste Woche«, erwidere ich.
»Wird Euer Gnaden sie vermissen?« will Harmony wissen.
Ich denke über die Frage nach. Ich kann sie nicht beantworten, und so murmele ich, ich wüßte es nicht, und ziehe Faux- Kokain-Lines mit dem NutraSweet auf der holzfurnierten Tischplatte. Ich überlege, wieviel Zeit es wohl brauchen wird, um den Schaden, den ich bei Anna-Louise angerichtet habe, zu beheben, und ob er überhaupt zu beheben sein wird. Ab nächste Woche werde ich kein Verhältnis mehr haben, keinen Unterricht, keinen Job und keine Karriereperspektiven. Pommes-Frites-Computers, ich bin auf dem Weg zu euch.
»Hast du gestern abend Heather-Jo in ›Designer-Dezernat‹ gesehen?« fragt Skye und wechselt das Thema zu Heather-Jo Lockheed, unserem Lieblings-Fernseh-Star. Heather-Jo springt von einer Serie zur anderen und bietet immer wieder eine angenehme Mischung aus couragiertem Einsatz, abscheulichen Verbrechen, tollem Haar und einem festen, aerobic-trainierten Körper. In »Designer-Dezernat«, ihrer neuesten Serie, stellt Heather-Jo eine Modeschöpferin bei Tag/ Verbrechensbekämpferin bei Nacht dar. »Heather-Jo ist einfach die Größte«, sagt Skye. »Ihr gehen nie die tollen Outfits aus.« Wir sind gerade mitten in einer Diskussion über Heather-Jos Karriere, als Gaia und Stephanie an den Tisch zurückkommen. Da sich in Stephanies Gegenwart niemand wohl fühlt, entsteht eine unangenehme Gesprächspause.
»So...«, miaut Skye provozierend. »Was sind denn deine und Tylers Pläne für die nächste Zeit, Stephanie?«
»Wir ziehen nach Kalifornien«, erwidert Stephanie und drückt mich zurück, um einen meiner gerade servierten, blutigen Pommes zu ergattern. »Tyler wird seine Fähigkeiten entwickeln und Modephotograph werden, und ich werde Schauspielunterricht nehmen.«
Schweigen.
»Ist das wahr, Tyler?« fragt Skye.
Ich nicke und kann es nicht recht fassen, daß ich nicke. Je älter ich werde, desto schwieriger wird mir die Vorstellung von meinem Leben als Rock-Video, aber Momente wie diese machen den Verlust in jedem Fall wett.
Und Skye kann sich kaum noch beherrschen, sofort zum Telefon zu rennen und Anna-Louise anzurufen.
»Wann fahrt ihr los?« fragt Gai'a.
»Nächste Woche«, entgegnet Stephanie nonchalant.
»Das ist einfach unglaublich cool«, sagt Pony. »Was wirst du tun, wenn dir Heather-Jo am Strand von Malibu begegnet?«
»Sie darum bitten, ihren Namen in den Sand zu schreiben, und mich dann darin herumwälzen«, entgegne ich.
Ich suche Stephanies Blick, und ihre Augen sagen: Oh, nun komm schon - als hättest du nicht gewußt, daß wir nach Kalifornien gehen.
»Ihr werdet Stars werden«, sagt Skye mit einem barmherzigen Mangel an Bosheit.
»Ja«, erwidere ich, »wir werden Stars werden.«
»Du wirst es dir überlegen? Okay?« sagt Stephanie auf der Heimfahrt.
»Aber wovon sollen wir leben?«
»Für junge Leute wie dich und mich gibt es immer Arbeit.« »Aber was ist mit... ich weiß nicht.«
»Hält dich irgend etwas in Lancaster zurück, Tyler?« »Nein, eigentlich nicht.«
»Und wirst du jemals reich und berühmt in Lancaster werden?«
»Sicherlich nicht.«
»Dann hast du nichts zu verlieren. Denk einfach über die Idee nach.« Was macht Dans Auto in unserer Auffahrt?
39
Das Leben ist wohl ähnlich wie Hochseefischen. Wir wachen am Morgen auf, werfen unsere Netze im Wasser aus, und wenn wir Glück haben, ist uns am Abend ein kleiner Fisch ins Netz gegangen - vielleicht auch zwei. Manchmal fischen wir ein Seepferdchen und manchmal einen Hai - oder einen Rettungsring oder einen Eisberg oder ein Monster. Und nachts in unseren Träumen schätzen wir unseren Tagesfang ab - den erbeuteten Schatz aus diesem langen, langwierigen Ansammlungsprozeß -, und wir essen das Fleisch unserer Fische, nachdem wir die Gräten weggeworfen und die Erinnerung an ihre einst glitzernden Körper in unsere Seelen eingewoben haben.
Ja, Dan sitzt in der Küche, und zwar zwischen Großmama und
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