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Shana, das Wolfsmädchen

Shana, das Wolfsmädchen

Titel: Shana, das Wolfsmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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alle zu mir hinüber. Archie spülte ein paar Gläser. Er nickte mir zu, mit einem verlegenen Ausdruck im Gesicht.
    »Tag, Shana!«
    »Wo ist Elliot?«, fragte ich.
    Archie deutete zum Flipperautomat. Mein Vater saß an einem Tisch daneben, hatte den Kopf auf die Arme gelegt und döste. Ich trat zu ihm, er rührte sich nicht. Archie hatte die Musik leiser gestellt. Es war still geworden in der Bar.
    »Elliot«, sagte ich. »Ich muss mit dir reden.«
    Er reagierte nicht. Dabei wusste er genau, dass ich da war. Ich rüttelte ihn an der Schulter.
    »Nun komm schon!«
    Er schob meine Hand weg.
    »Hau ab!«, knurrte er.
    Ein fürchterliches Gefühl, nicht mehr die erste Panik, sondern ein tiefer, pochender Schmerz, ließ mich alles nur verschwommen empfinden.
    »Los!«, sagte ich.
    Er hob das Gesicht, von Alkoholschweiß überzogen, und grinste den anderen zu.
    »So behandelt sie mich! Sie sagt ›Los!‹ und ich soll kommen.«
    Keiner antwortete. Die Gesichter waren völlig ausdruckslos. Alle wissen es also, dachte ich verzweifelt. Alle.
    »Ich kann hier nicht mit dir reden«, sagte ich.
    Er sprang plötzlich hoch.
    »Hör auf, ehe ich die Wut kriege und dir ein paar klebe.«
    Ich bebte und zwang mich ruhig zu blieben.
    »Elliot, wo ist meine Geige?«
    Er fiel zurück auf seinen Stuhl, stoßweise lachend.
    »Die Geige? Wo sie jetzt ist, das schert mich einen Dreck!«
    Ich ballte die Fäuste. Ich fühlte mich schwindlig, so stark, dass ich glaubte fallen zu müssen.
    »Die Geige gehört mir. Ich will sie zurückhaben.«
    Er blinzelte mir zu, durch die beschlagenen Brillengläser.
    »Zurückhaben? Das geht nicht. Die ist weg.«
    »Weg?«, murmelte ich.
    »Stell dich nicht so an«, sagte er, »du hast noch eine andere.«
    Ich holte tief Atem.
    »Diese Geige gehörte Lela. Lela Woodland. Sie hat gewollt, dass ich sie habe. Sie ist mein Eigentum.«
    »Jetzt nicht mehr«, brummte mein Vater. »Gehört Jeff Morgan. Hat mir 200 Dollar dafür angeboten. Wollte sie für seinen Sohn, den ältesten. Habe nicht Nein gesagt. Brauchte das Geld. Geschäft ist Geschäft.«
    Der Raum wurde dichter, erstickender. Meine Halsader klopfte, ein Druck lastete auf meiner Brust, unter dem Herzen. Ich sah auf meinen Vater hinunter, sah sein irres Grinsen, seinen schiefen Mund.
    Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Es war Archie und sein dunkles Gesicht zeigte Mitgefühl.
    »Er hat sie heute Morgen verkauft. Ich wollte es ihm ausreden, aber er hat es trotzdem getan.«
    Mein Vater bewegte den Kopf hin und her.
    »Zweihundert Dollar! Ist das etwa kein Geld? Meine Tochter, die hat ihren Lohn. Aber Geld für ihren Vater? Nie im Leben! Die versteckt das Geld irgendwo. Dann also die Geige. Ist ja sowieso nur ’n Stück Holz. Übrigens, ich bin nicht wie du. So geizig, meine ich. Habe noch Familiensinn. Mein Geld ist dein Geld.«
    Er zog ein paar zerknitterte Scheine aus der Tasche, warf sie auf den Tisch.
    »Da, hol ein paar Sandwiches. Und eine Kiste Pepsi Diät. Ich bin nämlich zuckerkrank. Und Alkohol vertrage ich nicht.«
    Er rülpste laut, brach in Gelächter aus. Die Männer an der Bar drehten ihm verlegen den Rücken zu. Archie seufzte nachdrücklich. »Es ist besser, du redest später mit ihm. Wenn er nüchtern ist.«
    Das Licht über dem Tresen brach sich in den Flaschen und Gläsern, die dort standen, warf Gittermuster auf die gelb gestrichene Wand. Ich dachte, ich sitze im Gefängnis. In einer Zelle, deren Gitterstäbe aus Licht und Schatten bestanden.
    »Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte Archie.
    »Komm, trink eine Cola!«
    Ich schüttelte den Kopf. Die Männer zogen die Füße weg, als ich an ihnen vorbeischlurfte. Archie brachte mich vor die Tür.
    »Er hatte Schulden und nicht nur bei mir. Tut mir Leid, dass ich dir das sagen muss. Du verstehst schon?«
    »Doch«, hauchte ich.
    Archie musterte mich besorgt.
    »Bist du sicher, dass alles okay ist?«
    Ich merkte,dass meine Zähne klapperten, und presste die Lippen zusammen, sodass ich nur wortlos nicken konnte. Archie sah mir bekümmert nach, während ich zu meinem Fahrrad ging und es über die Straße schob. Ich wäre nicht fähig gewesen in den Sattel zu steigen.
    In der Küche spritzte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht und ließ es lange über die Handgelenke laufen, in denen es heiß pochte. Es war genau wie damals, als Lela starb: Ich konnte nicht weinen, meine Augen brannten und das war alles. Nach einer Weile stapfte ich die Stufen hinauf, ging in mein Zimmer. Ich warf ein

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